Asthma, Diabetes, Tinnitus, psychische Erkrankungen – Patientinnen und Patienten möchten in erster Linie, dass nicht-medikamentöse Therapien gegen ihre Leiden besser erforscht werden. Das ist das Resultat einer neuen Studie .
Zu viele Medikamentenstudien?
Welche Anpassungen des Lebensstils oder der Ernährung könnten helfen, besser mit den chronischen Krankheiten oder Schmerzen umzugehen? Welche psychologischen Hilfen? Das sind die Fragen, die Patientinnen und Patienten umtreiben.
Doch die neue Studie zeigt: Geforscht wird mehrheitlich an der Entwicklung neuer Medikamente – einerseits, weil sich damit Geld verdienen lässt, andererseits aber auch, weil Medikamentenstudien meist weniger kompliziert sind.
Keine Zahlen für die Schweiz
Klaffen Patienteninteressen und aktuelle medizinische Forschung auch in der Schweiz derart auseinander? Eine solche Erhebung für die Schweiz sei ihr nicht bekannt, sagt Ayşim Yılmaz. Sie ist Leiterin der Abteilung Biologie und Medizin beim Schweizerischen Nationalfonds, der wichtigsten Schweizer Institution zur Förderung wissenschaftlicher Forschung.
Was Patientinnen und Patienten eigentlich möchten, weiss man in der Schweiz also gar nicht. Dass aber viel mehr Medikamentenstudien als Studien zu nicht-medikamentösen Therapien durchgeführt würden, dem widerspricht Susanne Driessen. Sie ist Präsidentin von Swissethics, der Dachorganisation aller kantonalen Ethikkommissionen. Und bei diesen sollten alle klinischen Studien zur Bewilligung über den Tisch gehen. Medikamentenstudien seien im Zeitraum seit 2014 sogar eher in der Minderheit, sagt Susanne Driessen.
Zu wenig Mitsprache der Patienten
Diese Zahlen sind allerdings noch nicht bereinigt und auch noch nicht öffentlich. Und: Sie müssen nicht bedeuten, dass der Rest der Studien den Patienteninteressen entsprach. Für das Jahr 2012 hielt ein Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit zum Bespiel detaillierter fest, dass bei den Ethikkommissionen zu Ernährung, Physiotherapie oder Psychotherapie nur wenige Forschungsprojekte eingereicht wurden.
Der Bundesrat hält denn auch in einem gerade letzte Woche veröffentlichten Bericht fest: Es bestehe Verbesserungsbedarf im Bereich der Patientenmitwirkung, und zwar ganz generell im Gesundheitswesen.
Patientenvertreter? Nein danke!
Eine Möglichkeit, nicht an den Patientinnen und Patienten vorbeizuforschen, wären Patientenvertreter in jenen Gremien, die über Forschungsanträge entscheiden. Doch weder die Ethikkommissionen noch der Nationalfonds wollen solche Patientenvertreter in den eigenen Gremien, sondern eher beim jeweils anderen.
Der Nationalfonds hat immerhin eben ein Spezialprogramm lanciert, das unabhängigen Forschenden erlauben soll, jene Fragen zu beantworten, die für Patienten wirklich wichtig sind. Insgesamt 10 Millionen Franken pro Jahr sind dafür vorgesehen. «Wenn wir weiterhin jedes Jahr diese 10 Millionen ausschreiben können, dann bin ich mir sicher, dass wir nach und nach auch die Patientenorganisationen einbeziehen werden», sagt Ayşim Yılmaz von Schweizerischen Nationalfonds. Das Problem ist also zumindest erkannt.