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Angst um sich und andere Was die Coronakrise mit unserer Psyche macht

Wie gehen Erwachsene und Kinder mit dem steigenden Druck um? Nachgefragt bei Risikopersonen und Menschen in Quarantäne.

Schritt für Schritt und in immer kürzeren Abständen fahren die Behörden die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus hoch. Und mit jeder Verschärfung wird einem stärker bewusst: Es gilt ernst.

Wie gehen Erwachsene und Kinder mit dem Druck und der unsichtbaren Gefahr um? Das Gesundheitsmagazin «Puls» hat nachgefragt.

Ängste zulassen und ernst nehmen

Letzter Schultag an der Primarschule Matzingen, kurz bevor landesweit die Schulen geschlossen wurden. Natürlich beschäftigt das Coronavirus auch die Kinder: David geht nur noch eine Stunde pro Tag raus, Emma sorgt sich um ihre Grosseltern. Belma hat realisiert, dass das eine Krankheit ist, an der man sterben kann.

Solche Ängste zuzulassen, sei wichtig, sagt die Kinder- und Jungendpsychologin Simone Dietschi: «Man soll die Sorgen und Gedanken der Kinder ernst nehmen und auch mal zugeben, wenn man selber nicht weiss, wie es herauskommt.»

Heikel ist die Situation für den 10-jährigen Noah. Er leidet an chronischem Asthma, eine Lungenentzündung wegen des Coronavirus wäre für ihn fatal. Er gibt sich gefasst, befolgt alle Vorsichtsmassnahmen, bleibt viel zu Hause.

Die Kontrolle im Kleinen behalten

Doch bei seiner Mutter bleibt die Unsicherheit: «Ich schlafe oft schlecht ein, weil mir so Horrorszenarien wie in Italien durch den Kopf gehen.» Die Angst sei nicht nur, dass ihr Sohn am Virus erkranke, sondern vor allem, dass er dann nicht mehr die nötige Behandlung erhält. «Was passiert mit meinem Kind, wenn die Spitäler voll sind?»

Umso wichtiger sei es, sich die Dinge bewusst zu machen, die man selber in der Hand habe, sagt die Psychologin: «Die Kontrolle über das zurückerlangen, was man im Kleinen beeinflussen kann. Das hilft dabei, ein Stück weit eine echte Zuversicht aufzubauen, da man ja selber etwas dafür macht, dass sich die Situation nicht verschlimmert.»

Der frühere SRF-Italienkorrespondent Massimo Agostinis und seine Familie sind krank aus Italien zurückgekommen – sicherheitshalber haben sie sich selber isoliert, wie sie mit dem Handy dokumentieren.

Ob es das Coronavirus war, wissen sie nicht. Mittlerweile sind alle wieder gesund. Doch sie bleiben weiter in Quarantäne, denn eines ihrer Kinder ist wegen eines Herzfehlers besonders gefährdet.

Die Isolation zehrt an den Nerven: «Nach zwei Wochen wird es wirklich schwierig. Auch, weil kein Ende absehbar ist.»

Dass wir alle in einen neuen Rhythmus gezwungen werden, hat die Kinder- und Jungendpsychologin Simone Dietschi ebenfalls festgestellt: «Wir sind gefordert, in ganz anderen Dimensionen zu denken. Schritt für Schritt, Tag für Tag.»

Und wir können uns nicht mehr wie gewohnt um unsere Liebsten kümmern. Massimo Agostini sorgt sich um seinen betagten Vater, der in Italien lebt. 1000 Kilometer weit entfernt. Mehr soziale Distanz und trotzdem für einander sorgen: Das wird in dieser Krise die grosse Herausforderung.

Puls, 16.03.2020, 21:05 Uhr

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