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Antioxidantien – Freund oder Feind?

Mit Antioxidantien gegen das Altern und den Krebs: Wissenschaftler haben daran so ihre Zweifel. Schwedische Forscher berichten nun sogar von Mäusen, bei denen sich Lungentumore aggressiver entwickeln, wenn man ihnen reichlich Antioxidantien gibt. Erste Hinweise weshalb liefern sie gleich mit.

Die Idee ist so einleuchtend wie verführerisch: Weil sogenannte radikale Sauerstoffspezies (ROS) in lebenden Zellen Schaden anrichten können, kann es doch nur gut sein, wenn man diese Stoffe mit Antioxidantien unschädlich macht – zum Beispiel mit Vitamin E, C oder Beta-Carotin. Die ROS stehen sogar im Ruf, Krebs zu verursachen, indem sie das Erbgut der Zellen schädigen. Die logische Schlussfolgerung: Antioxidantien müssten vor Krebs schützen können.

Nicht erst seit gestern melden Wissenschaftler an dieser einfachen Hypothese ihre Zweifel an. Mehr und mehr wird klar, dass die reaktionsfreudigen ROS im Körper zwar tatsächlich Schaden anrichten können, aber auch durchaus wichtige Funktionen erfüllen: unter anderem als Signalstoff innerhalb der Zelle, oder wenn das Immunsystem krankheitserregende Bakterien und Einzeller bekämpft.

Verwirrung der körpereigenen Abwehr

Was noch viel entscheidender sein könnte: Der Körper hat sein eigenes System, um Schäden am Erbgut zu erkennen und kann Zellen, die drohen zu Krebszellen auszuarten, durchaus detektieren und vernichten. Dabei spielt das Zelleiweiss p53 eine zentrale Rolle, es ist der Sensor mit dem Zellen ihr eigenes Erbgut prüfen. Wenn dabei Fehler entdeckt werden, kann das Eiweiss der Zelle sozusagen «befehlen», das Wachstum einzustellen oder – im Extremfall, sich selbst zu zerstören.

An genau dieser Stelle greifen womöglich, und bisher ist das nur eine Vermutung, Antioxidantien auf fatale Weise in den Zellstoffwechsel ein. «Ein Zuviel an Antioxidans kann dazu führen», sagt der Forscher Per Lindahl von der Universität von Göteborg in Schweden, «dass die Zellen ihr Selbstverteidigungssystem herunterfahren, das Zelleiweiss p53 inaktivieren und deshalb potenzielle Krebszellen nicht mehr rechtzeitig entdecken.»

Das heisst im Klartext: Antioxidantien schützen nicht vor Krebs, sie fördern ihn womöglich sogar.

Mäuse sind nicht Menschen

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Per Lindahl und seine Kollegen stellen ihre Vermutung aus guten Gründen an. Sie fanden bei Versuchen mit Mäusen, die an Lungenkrebs erkrankt waren, dass zusätzliche Antioxidantien im Mäusefutter, das Wachstum der Tumoren und damit den Tod der Tiere beschleunigten. Das galt für Versuche mit relativ hohen Dosen an Vitamin E genauso wie für Versuche mit Acetylcystein, einem Antioxidans, das in gängigen Hustenlösern enthalten ist. Auch menschliche Krebszellen, die die Forscher in einer Zellkultur mit den Antioxidantien behandelten, zeigten vermehrtes Wachstum. Die Ergebnisse der Studie sind diese Woche im Fachblatt «Science Translational Medicine» erschienen.

Ihre Arbeit ist allerdings eine reine Laborarbeit, keine klinische Studie an echten Patienten, das betonen die Forscher selbst. Zwischen Mäusen und Menschen lassen sich die Ergebnisse nicht eins zu eins übertragen. Zudem geht die Studie nur der Frage nach, ob schon vorhandene Tumoren durch zusätzliche Antioxidantien schneller wachsen. Ob Antioxidantien auch die Entstehung von Krebszellen begünstigen können, ist damit nicht geklärt. Dennoch liefert sie wichtige Hinweise, denen man in weiteren Studien nachgehen sollte.

Raucherstudie abgebrochen

Nicht zuletzt passen die Resultate aus Schweden in einen Trend: Überblickstudien, in denen die Ergebnisse möglichst vieler Arbeiten zusammengetragen werden, zeigen, dass sich ein positiver Effekt von Antioxidantien nicht nachweisen lässt. Eine gross angelegte klinische Studie in Finnland mit starken Rauchern wurde abgebrochen, weil sich zeigte, dass die Männer, die Beta-Carotin eingenommen hatten sogar häufiger an Lungenkrebs erkrankten als die Kontrollgruppe, die nur wirkungslose Placebos bekommen hatten.

Per Lindahl: «Wenn man überhaupt Schlüsse ziehen kann, aus den Studien, die es bisher gibt, dann nur den, dass eine Extra-Portion Antioxidantien entweder gar keinen oder einen negativen Effekt haben.»

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