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Behauptungen im Check Vor dem Schwimmen sollte man nichts essen – stimmt das?

Ist es eine gute Idee, eine Portion Pommes vor dem Sprung in den See zu verdrücken? Und schwitzen wir im Wasser weniger als an der Luft? Antworten aus der Wissenschaft.

Behauptung 1: Zwei Stunden vor dem Baden sollte man nichts mehr essen.

Zuerst Pommes oder Glace, dann der Sprung ins kühle Nass: Die meisten wurden wohl schon im Kindesalter davor gewarnt, denn sie könnten ertrinken. Bisher besteht keine wissenschaftliche Evidenz, dass Essen vor dem Schwimmen zum Ertrinkungsrisiko beiträgt. Oftmals sei es schwierig, die genaue Ursache fürs Ertrinken zu finden, erklärt Abächerli von der Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG.

Dünne Studienlage zur Essenspause vor dem Schwimmen

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Auf dem Bild ist eine Portion Pommes im Sand zu sehen.
Legende: imago images / Kickner

Die Studienlage zu diesem Thema ist sehr dünn. In einer Studie wurde zwar untersucht, wie sich der Mageninhalt von Erwachsenen bei unfallbedingtem Ertrinken von suizidalem unterscheidet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nahrungsaufnahme ein Faktor ist, der mit versehentlichem Ertrinken zusammenhängen könnte.

Dem gegenüber steht aber ein Review aus Amerika . Schwimmer legten nach einer Essenspause von einer halben Stunde bis eineinhalb Stunden die gleiche Distanz zurück. Die Dauer der Essenspause hatte keinen Einfluss auf ihre sportliche Leistung. Teilweise klagten Schwimmer aber über Übelkeit, nachdem sie nur eine halbe Stunde vor dem Schwimmen gegessen hatten.

Da es sich bei der Zwei-Stunden-Regel nur um eine Schätzung handelt, hat die SLRG sie aus den Baderegeln gestrichen. Nun gibt die SLRG eine grobe Empfehlung heraus: Nicht mit vollem oder leerem Magen ins Wasser gehen. Denn klar belegt ist hingegen, zu viel oder zu wenig Essen vor dem Schwimmen kann unangenehm bis gefährlich werden.

Sport und Verdauung – Belastungsprobe für den Körper

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Der Leitende Arzt Kardiologie am Universitätsspital Zürich Christian Schmied bestätigt: Die Warnung der Eltern ist keine Floskel. Wie lange jedoch die Pause zwischen Essen und Baden genau sein sollte, wurde nie untersucht. Klar ist aber, dass Sport und Verdauung eine doppelte Belastung für den Körper darstellen.

Nach einer Mahlzeit fliesst viel Blut in den Verdauungstrakt, um die Nährstoffe zu verwerten. Wer sich dann sportlich betätigt, zieht Blut für andere Muskeln ab, um sie mit Sauerstoff zu versorgen. «Das kann dazu führen, dass der Magen-Darm-Trakt nicht wie gewünscht arbeiten kann, weil er zu wenig durchblutet ist», so der Sportmediziner. Das kann zu Bauchschmerzen, Seitenstechen, Übelkeit und Erbrechen führen.

Aus dem Ausdauersport sind Fälle bekannt, dass Marathonläufer wegen der Ernährung vor dem Lauf noch Wochen danach an Verdauungsstörungen wie Durchfall litten.

Zudem kann ein Sprung mit vollem Magen zu Schwindel oder gar Ohnmacht führen. Ausgelöst vom sogenannten Vagusnerv. Wenn dieser bereits mit der Verdauung beschäftigt ist und weiterer Stressfaktor hinzukommt, wie der Temperaturwechsel vom «Sünnelen» ins kalte Wasser, reagiert der Nerv stärker und fährt den Körper herunter. In der Fachsprache wird dies als vasovagaler Reflex bezeichnet.

Umgekehrt sollte man auch nicht mit komplett leerem Magen schwimmen gehen. Wer unterzuckert ist, friert schneller, fühlt sich schwach oder gar Schindel kann auftreten. Wenn man sich dann noch in einem Fluss mit starker Strömung befindet, kann es zu lebensgefährlichen Situationen führen.

Behauptung 2: Wer lange in der Sonne lag, sollte nicht direkt ins Wasser springen.

Stimmt, es ist nicht nur ein geläufiger Badi-Satz, den Körper vor dem Schwumm ans kalte Wasser zu gewöhnen, sondern auch eine medizinisch fundierte Aussage. An der Sonne erweitern sich die Blutgefässe und der Blutdruck sinkt. Wer dann direkt ins kühle Nass hüpft, setzt den Körper einem grossen Temperaturunterschied aus. Die Gefässe ziehen sich zusammen und es kann zu sehr hohen Blutdruckspitzen, Schwindel oder im schlimmsten Fall zu Herzrhythmusstörungen führen. Insbesondere für Menschen mit Herzkrankheiten ist dies gefährlich, so Christian Schmied, Arzt am Universitätsspitals Zürich. Aber Achtung: Auch gut trainierte Menschen reagieren so auf einen Temperaturschock.

Tipp: Baden ohne Temperaturschock

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Sich kurz mit Wasser benetzen hilft dem Körper, sich an den Unterschied zwischen Luft- und Wassertemperatur zu gewöhnen. Der Sportmediziner Christian Schmied empfiehlt: Vorher duschen, die Handgelenke kühlen oder einige Minuten nur bis zu den Beinen im Fluss oder Becken stehen.

Behauptung 3: Schwimmen ist die gelenkschonendste Sportart der Welt.

Stimmt. Und der Grund dafür ist simpel: der natürliche Auftrieb. Im Wasser tragen wir nur noch ungefähr einen Viertel unseres Körpergewichts. Dadurch werden unsere Gelenke deutlich weniger belastet als an Land. «Sogar wenn man beim Aqua fit im Wasser steht und Übungen macht», sagt Schmied. Etliche Studien beweisen, dass bei Profischwimmerinnen weniger Gelenkerkrankungen wie Arthrose auftreten als bei Läuferinnen, bei denen die Muskulatur gegen die Schwerkraft arbeiten muss.

Behauptung 4: Beim Schwimmen schwitzt man nicht.

Falsch. Die Funktion des Schwitzens ist es, unseren Körper zu kühlen. Dieser Effekt kommt durch die Verdunstung an der Luft zustande. Also schwitzen wir im Wasser nicht? Doch! Denn Schwitzen hat noch weitere Ursachen. Es ist notwendig, da unsere Muskulatur einen relativ tiefen Wirkungsgrad aufweist. So produziert sie neben der mechanischen Energie viel überflüssige Wärme. Diese gilt es quasi loszuwerden, damit die Körpertemperatur nicht zu sehr ansteigt.

Also schwitzen wir auch beim Schwimmen, auch wenn wir es nicht als schweisstreibend empfinden. Aber: Wir schwitzen deutlich weniger stark als beispielsweise beim Laufen. Die Intensität der Anstrengung und die Luft- oder Wassertemperatur sind entscheidend, wie stark wir schwitzen.

Wie gut können wir schwimmen?

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Klar ist, dass Schwimmen hierzulande zu den beliebtesten Sportarten zählt. Wie gut wir das tatsächlich können, hat bis anhin keine Studie untersucht. Die Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG hat vor einigen Jahren aber eine Befragung gemacht, in der Personen ihre Selbstrettungskompetenzen einschätzten. Darin wurden Elemente des sogenannten Wassersicherheitschecks abgefragt. Also beispielweise, ob man sich eine Minute an Ort über Wasser halten, 50 schwimmen und aussteigen kann oder vom Beckenrand eine Rolle ins Wasser machen kann.

Was dabei auffiel: Je tiefer Haushaltseinkommen oder Bildungsniveau, desto weniger häufig gaben die Personen an, über die entsprechenden Kompetenzen zu verfügen. «Aus unserer Befragung lässt sich ableiten, wieso der für alle zugängliche Schwimm- und Wassersicherheits-Unterricht in der obligatorischen Schulzeit so wichtig ist», sagt Reto Abächerli von der SLRG.

2024 wird es die nächste solche Befragung von der SLRG durchgeführt. Studien aus dem Ausland liefern aber Hinweise, dass Selbsteinschätzung der Schwimmkompetenzen und tatsächliche Schwimmkompetenzen häufig nicht übereinstimmen. «Jedoch geben uns die Ergebnisse wertvolle Hinweise, mit welchen Zielgruppen wir insbesondere in den Dialog gehen sollten», so Abächerli.

Radio SRF 1, Ratgeber, 28.07.2022, 11:05 Uhr

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