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Licht in die Dunkelziffer – Projekt forciert Antikörpertests
Aus Puls vom 06.04.2020.
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Beschränkte Aussagekraft Tests, die noch getestet werden müssen

Antikörpertests sollen Auskunft über die Verbreitung des Virus geben. Über die Immunität sagen sie nichts aus.

Am Universitätsspital Genf HUG wird seit Montag breit auf Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet. Jede Woche werden rund 500 bis 700 Personen, die bereits für ein anderes Gesundheitsprojekt beobachtet werden, zu Blutentnahmen eingeladen. Das Ziel sei es, abschätzen zu können, wie hoch der Anteil der Menschen ist, die bereits mit dem Virus Kontakt hatten, sagt Epidemiologin Silvia Stringhini, welche für das HUG diese Untersuchung begleitet.

Anders als die PCR-Tests, für die im Rachen Abstriche genommen werden und auf vorhandene Viren getestet wird, sind die Antikörpertests ein indirektes Verfahren. Dabei wird im Blut untersucht, ob der Körper bereits spezifische Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Da sich die Antikörper erst nach einigen Tagen bilden, eignen sich solche Tests nicht um eine akute Infektion festzustellen. Aber sie können im Nachhinein auch Fälle aufdecken, bei der eine Infektion mit den SARS-2-Viren ohne oder nur mit leichten Symptomen verlaufen ist.

Es gibt bereits Antikörper-Testkits von verschiedenen Herstellern. Doch noch ist keiner dieser Tests in der Schweiz zugelassen. «Es gibt einfach noch Probleme bei diesen Tests», sagt Alexandra Trkola, die das Institut für medizinische Virologie der Universität Zürich leitet. So sei noch unklar, ob diese neuen Tests eine Infektion in einer genügend hohen Sensitivität und Spezifität erkennen würden. Ungenügend geprüft ist zum Beispiel, ob die Tests wirklich nur spezifisch auf Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Virus reagieren, oder nicht auch auf andere Antikörper reagieren.

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Virologin Alexandra Trkola dämpft die Erwartungen an die Tests.
Aus Puls vom 06.04.2020.
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Keine Antwort ob immun oder nicht

Und gerade für eine Antwort auf die Frage, ob jemand immun ist oder nicht, sind die Tests derzeit überhaupt nicht geeignet. Der Nachweis von Antikörpern sagt nämlich nichts über die Immunität aus.

Man brauche dafür Referenzwerte, sonst sei es ein Blindflug, so die Virologin Trkola. Zuerst muss also in Studien – wie zum Beispiel in Genf – festgestellt werden, welche Antikörper in welcher Konzentration die Menschen vor Neuinfektionen schützen. Und das wird noch dauern.

Tiefe Herdenimmunität heisst hohe Fehlerquote

Das zweite grosse Problem ist die Fehlerquote, selbst bei den besten derzeit verfügbaren Tests. Derzeit sind geschätzt erst ein bis drei Prozent der Bevölkerung infiziert worden (Stichwort: Herdenimmunität). Dies wirkt sich massiv auf die Aussagekraft aus. Wissenschaftlich ausgedrückt wird das mit dem positiv prädikativen Wert (PPV). Dieser läge selbst bei guten Tests derzeit bei rund 50 Prozent. Sprich: Jedes zweite positive Resultat ist falsch. Schnelltests mit 92 Prozent Genauigkeit liefern rechnerisch gar nur in jedem fünften Fall ein korrektes positives Ergebnis (PPV 20 Prozent bei 3 Prozent Infizierten).

«Wir müssen auf jeden Fall vermeiden, dass es falsch positive oder falsch negative Messwerte gibt», warnt Trkola. Das könne immensen Schaden anrichten. In Genf ist man sich des Problems mit den Tests bewusst. Man teilt deshalb den Versuchsteilnehmern die Resultate derzeit nicht mit, um nicht zu falschem Verhalten zu verleiten. Für die Studie hofft man dennoch auf Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus zu erhalten. Virologie-Professorin Alexandra Trkola rechnet damit, dass es noch einige Monate dauert kann, bis aussagekräftige Tests vorliegen.

Puls, 06.04.2020, 21:05 Uhr;

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