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Blick in ein leeres Schulzimmer mit Stühlen auf den Pulten.
Legende: Burnout – Die «Managerkrankheit» hat den Weg in die Schulstuben gefunden. Keystone

Burnout bei Lehrpersonen Ausgebrannt bis zum Umfallen

Null-Bock-Syndrom oder psychische Krankheit – zu Burnout hat fast jeder eine Meinung. Auch, dass es so was früher gar nicht gab. Heute befällt das Erschöpfungssyndrom nicht mehr nur Manager, sondern insbesondere zunehmend auch Lehrer.

burnout

Burnout ist medizinisch gesehen weder eine Krankheit noch eine Diagnose. Es ist ein Erschöpfungsprozess, der zu Folgekrankheiten führen kann. Die Folgekrankheiten sind psychischer und körperlicher Art. Oft sind es Depressionen, Angstkrankheiten, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Körperlich kann ein Burnout zu Herzkreislaufkrankheiten führen, Magen-Darm-Problemen, Diabetes Typ II oder Tinnitus.

Der Burnout-Prozess zeichnet sich meist über längere Zeit ab. Die Betroffenen kommen in eine Spirale. Anfangs zeigt diese Spirale nach oben. Denn bei jedem Versagen des Körpers, bei jedem Leistungseinbruch auf Grund der Erschöpfung gilt für die Betroffenen: Jetzt erst recht. Trotzdem! Sie geben noch mehr Gas, knien sich noch mehr in die Arbeit.

Dreht die Spirale immer höher, kommt irgendwann der Wendepunkt: Emotionale Erschöpfung, Zynismus und Distanzierung, verringerte Arbeitsleistung – die Spirale dreht nach unten, bis zum totalen Zusammenbruch.

Kommt es tatsächlich zum Zusammenbruch und wird eine stationäre Behandlung in einer Klinik nötig, dann leiden die Betroffenen meist schon an einer Folgekrankheit, am häufigsten an Depressionen. Barbara Hochstrasser, Leiterin der Burnout-Abteilung an der Privatklinik Meiringen nennt Zahlen: «90 Prozent der Burnout-Patienten die eine stationäre Behandlung in einer Klinik benötigen leiden an einer Depression.» Burnout ist also ein Risikozustand, eine mögliche Ursache von Depression. Aber ist Burnout nicht auch eine Modeerscheinung, eine «Wohlstandskrankheit»?

Eine Wohlstandserscheinung?

«Burnout ist keine Wohlstandskrankheit im eigentlichen Sinne», betont Barbara Hochstrasser. «Aber es ist eine Zeiterscheinung. Insofern, dass wir zunehmend in einer globalisierten Welt leben, die von einer marktwirtschaftlichen Grundhaltung getrieben wird.»

Im Vergleich zu 1965 werde heute innerhalb einer Arbeitsstunde eine um den Faktor 365 gesteigerte Effizienz verlangt. Alle unsere Prozesse laufen viel schneller. Ein weiteres Problem sieht Barbara Hochstrasser in den elektronischen Medien, die eine völlig neue Vorstellung mit sich bringen, wann Rückmeldungen im Arbeitsprozess zeitlich erfolgen müssen. Auch hier herrsche eine totale Beschleunigung. «Und es gilt eine ganz neue Vorstellung von Verfügbarkeit, hier hat sich ebenfalls klar eine neue Erwartungshaltung entwickelt.» Auch im Lehrberuf nehmen die Belastungen zu: Ihr Risiko für einen Burnout liegt noch über dem von Polizisten oder Menschen, die in der Pflege arbeiten.

All das führe zu mehr Zeitdruck und in diesem Sinne zu mehr Leistungsdruck. Barbara Hochstrasser nennt sechs Risikofaktoren für Burnout, die in der Forschung zentral seien und die einen Zusammenhang zwischen unserer gesellschaftlichen Entwicklung und der Zunahme von Burnout verdeutlichen.

  • Die Zunahme von Arbeitslast im Sinne von Zeitdruck
  • Mangelnde Autonomie (wenn einem immer mehr Verantwortung ohne die nötigen Kompetenzen übertragen wird)
  • Mangelnde Wertschätzung
  • Umgang im Team
  • Fairness
  • Die Werte innerhalb einer Firma

Diese Bereiche hätten in unserer westlichen Welt einen enormen Wandel durchlebt. «Insofern ist ‹Burnout› Ausdruck einer westlich orientierten, globalisierten Welt, die sich ausschliesslich am Ziel des Wohlstandes orientiert», betont Barbara Hochstrasser.

Können sich das nur Reiche leisten?

Eine Wohlstandserscheinung ist es also am Rande doch. Und es macht sich noch ein anderer Verdacht breit, wenn man die «Burnout-Landschaft» Schweiz betrachtet: Die meisten auf Burnout spezialisierten Kliniken sind Privatkliniken. Kann sich also ein Burnout nur die obere Gesellschaftsschicht leisten?

Hier widerspricht Barbara Hochstrasser vehement: «Burnout betrifft alle, unabhängig von Position und sozialer Schicht. ‹Private Klinik› heisst nicht, dass man zwingend auch privat versichert sein muss. Die Klinik Meiringen zum Beispiel basiert zwar auf einer privaten Trägerschaft, nimmt aber auch allgemein versicherte Patienten auf. Der Begriff Privatklinik hat damit zu tun, dass private Trägerschaften dahinter stecken.» Dies habe den Vorteil, dass solche Kliniken unabhängig von kantonal politischen Strategien agieren können.

Staatliche Kliniken hätten einen enormen Druck, beispielsweise die Aufenthaltszeiten der Patienten runterzuschrauben. Aber genau dies sei bei einem Burnout zentral: Es brauche eine längere Therapiephase. Und, ergänzt Barbara Hochstrasser, «bei Burnout sind die Betroffen auch nach der Genesung meist über lange Zeit nicht sehr belastbar. Das heisst, oft führen schon kurze geistige oder körperliche Belastung wieder zur totalen Erschöpfung.» Der Wiedereingliederungsprozess müsse daher in kleinen Schritten erfolgen.

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