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Cannabis als Medizin – Nachfrage explodiert

Die Nachfrage beim BAG nach THC-haltigem Cannabis für Schwerkranke explodiert: Über 3300 Bewilligungen waren es letztes Jahr, zehnmal mehr als 2012.

«Gäbe es nur die Schulmedizin, gäb`s mich heute nicht mehr», sagt Peter Zuber Geering. Vor drei Jahren gaben die Ärzte ihm noch drei bis sechs Monate zu Leben. Schwerer Lungenkrebs mit Metastasen überall. Auf 65 Kilo war er abgemagert. Heute wiegt er zehn Kilo mehr und wirkt völlig fit.

Sein Glück: Seine Frau ist Naturheilpraktikerin, hat einen schulmedizinischen Hintergrund und versorgt ihn zu Hause. Unter anderem behandelt er die Nebenwirkungen der Immuntherapie mit Cannabis. Seither sind Nebenwirkungen wie Übelkeit und Darmentzündungen verschwunden und er kann wieder normal essen.

Einsatz trotz fehlender Studien

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Patientengeschichten wie die von Peter Zuber Geering häufen sich. Auch Daniel Büche vom Kantonsspital St. Gallen kennt viele solche Geschichten. Als Schmerz- und Palliativ-Mediziner setzt er Cannabis seit Jahren erfolgreich ein. Bei Schmerzen, Übelkeit, Krämpfen, Parkinson, Multipler Sklerose oder speziellen Formen der Epilepsie weiss man von gutem Erfolg des Cannabis, auch wenn es nicht bei jedem Menschen wirkt. Und auch wenn die grossen klinischen Studien fehlen.

Daniel Büche setzt sich dafür ein, dass er Cannabis sofort abgeben kann, wenn der Patient es braucht. Heute muss er 14 Tage warten, bis das Medikament nach Einreichen der Ausnahmebewilligung ausgeliefert wird. Lieber hätte er eine kleine Menge Cannabis gleich zur Hand, um die Bewilligung danach zu beantragen. So könnte er Patienten lange Leidenstage ersparen. «Beim Methadon geht das problemlos, ich sehe nicht ein, warum das bei Cannabis nicht auch funktionieren soll», sagt Büche.

Doch noch gibt es innerhalb des BAG Widerstände gegen solche Erleichterungen beim als Rauschmittel verrufenen Cannabis.

Nachfrage explodiert

Immerhin musste das BAG auf Grund der neuesten Zahlen ein gewisses Entgegenkommen zeigen: Die Anfragen um Ausnahmebewilligung im BAG sind seit 2012 um das Zehnfache gestiegen. 2012 waren es rund 300, 2017 über 3300 Bewilligungen. Das BAG reagiert mit ersten Erleichterungen: Die Gesuche werden schneller erledigt, und die Rezepte gelten neu für zwölf statt für sechs Monate. Das verringert den administrativen Aufwand fürs BAG wie auch für die Ärzte.

Doch das ist erst die Spitze des Eisbergs. Nach BAG-Schätzungen verwenden zwischen 70'000 und 100'000 Menschen in der Schweiz Cannabis regelmässig für medizinische Zwecke – nur 3300 auf legalem Weg.

Zeitrahmen: zehn Jahre

Um den Zugang zum Cannabis zu erleichtern, wie das unter anderem Deutschland seit einem knappen Jahr verfügt hat, braucht es in der Schweiz eine erneute Revision des Betäubungsmittelgesetzes.

Obwohl momentan nicht mit politischem Widerstand gerechnet wird, dauert das im besten Fall drei bis fünf Jahre. Bis dann auf Grund der neuen Rechtslage Cannabis-Medikamente zugelassen und auf dem Markt erhältlich sind, dürften nach Schätzungen des BAG insgesamt zehn Jahre vergehen.

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