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Da-Vinci-Roboter Teure Hightech-Operationen mit ungewissem Nutzen

Eine neue Studie sieht wenig Vorteile für Prostata-Patienten. Geringe Fallzahlen könnten zudem die Qualität gefährden.

Die neue australische Studie ist ein Schuss vor den Bug der Da-Vinci-Urologen. Sie kommt zum Schluss, dass der Operationsroboter bei den wichtigsten postoperativen Risiken einer Prostata-Entfernung nicht signifikant besser abschneidet: Nach 6, 12 und 24 Monaten klagten jeweils gleich viele Krebspatienten über Inkontinenz und Impotenz – unabhängig davon, ob sie minimalintensiv mit dem Da Vinci oder offen mit der alten Methode operiert wurden.

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Für den Roboter sprechen laut früheren Studien der geringere Blutverlust während des Eingriffs und weniger Schmerzen danach. Dieses Fazit dürfte viele enttäuschen, denn die Urologie gilt als Paradedisziplin des Roboters. In anderen Bereichen konnte sich der Da Vinci trotz anfänglich hoher Erwartungen nur bedingt etablieren.

Fragwürdiger Roboter-Boom

Die Studienergebnisse setzen auch ein kräftiges Fragezeichen zum aktuellen Roboter-Boom in der Schweiz. Denn obwohl die Folgen des Da-Vinci-Eingriffs bislang nie detailliert untersucht wurden, hat fast jedes grössere Schweizer Spital in den letzten 15 Jahren Roboter angeschafft.

Rund 2 Millionen Franken kostet ein Da Vinci, dazu kommen jährlich etwa 200'000 Franken Unterhaltskosten. Die Schweiz hat heute mit 32 Da Vincis weltweit die höchste Dichte an Robotern im Operationssaal. Pro Kopf fast drei Mal mehr als etwa Deutschland. Allein in der Region Basel stehen vier Stück.

Das ist zum Teil ein Marketinghype. Rein von der Anzahl Eingriffe her braucht es sicher nicht so viele Da Vincis.
Autor: Jürg Aebi CEO Kantonsspital Basel-Land

Für Jürg Aebi, CEO des Kantonsspitals Basel-Land in Liestal, macht das keinen Sinn: «Das ist zum Teil ein Marketinghype. Rein von der Anzahl Eingriffe her braucht es sicher nicht so viele Da Vincis. Aber wir als Ausbildungsspital müssen das Neuste bieten – die jungen Ärzte wollen das.»

Auch die Patienten verlangen zunehmend explizit den Da Vinci.

Tiefe Fallzahlen können Qualität gefährden

Die hohe Dichte an Robotern führt dazu, dass sie an den Spitälern oft unbenutzt herumstehen. Es fehlt schlicht an Patienten, um so viele Da Vincis auszulasten. Für die Operateure wird es deshalb vielerorts schwierig, sich die erforderliche Routine anzueignen.

Eine bedenkliche Entwicklung, findet Martin Schumacher, Facharzt Urologie an der Hirslanden-Klinik in Aarau: «Wenn kleine Regionalspitäler einen Da Vinci anschaffen und nicht über die entsprechenden Fallzahlen verfügen, ist das problematisch. Einerseits gesundheitspolitisch und ökonomisch, andrerseits aber auch für die Qualität des Eingriffs.»

Der Erfolg hängt nicht vom Gerät ab, sondern von der Erfahrung des Operateurs.
Autor: Martin Schumacher Facharzt Urologie

Schumacher ist mit über tausend Operationen einer der erfahrensten Da-Vinci-Operateure hierzulande. «Erst nach etwa 300 Eingriffen beherrscht man den Da Vinci wirklich, aber auch dann lernt man immer noch dazu», erklärt er.

Diese Zahl sei in der Schweiz nicht einfach zu erreichen. Entsprechend rät Schumacher den Patienten, sich nicht vom Roboterboom blenden zu lassen. «Der Erfolg hängt nicht vom Gerät ab, sondern von der Erfahrung des Operateurs. Nur wenn Sie gute Fallzahlen haben, erzielen Sie auch gute Resultate.»

Ein nationales Register, das die Erfahrungen mit dem Da Vinci erfasst, ist erst im Aufbau. Für Prostatakrebs-Patienten, welche sich für einen Robotereingriff entscheiden, ist es somit alles andere als einfach, das richtige Spital mit dem geeigneten Operateur zu finden.

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