Zum Inhalt springen
Ein Perfusor steht vor dem Bett einer Patientin.
Legende: Kann sich die Immuntherapie weiter durchsetzen, bliebe vielen Patienten die Tortur einer Chemotherapie erspart. Colourbox

Den Körper aufrüsten zum Kampf gegen den Krebs

In Chicago trifft sich derzeit alles, was in der Pharmaindustrie Rang und Namen hat: Am Krebs-Kongress ASCO präsentieren sie ihre neuesten Forschungsergebnisse. Im Zentrum steht dabei die sogenannte Immun-Therapie: Sie soll das Immunsystem zum Kampf gegen die Krebszellen aufrüsten.

Die Immuntherapie soll das Immunsystem zum Kampf gegen die Krebszellen aufrüsten. Die damit verbundenen Hoffnungen sind riesig – für die Patienten, aber auch für die Pharma-Konzerne, denn schlussendlich geht es um sehr viel Geld.

Das körpereigene Immunsystem bewahrt uns vor vielen Krankheiten. Doch nicht immer vor Krebs: Zwar setzt der Körper verändertes Erbgut Schachmatt, sobald er es erkennt, aber dennoch gelingt es Tumoren immer wieder, das Immunsystem auszutricksen. Genau hier setzt die Immun-Onkologie an, erklärt Alfred Zippelius, stellvertretender Chefarzt am Universitätsspital Basel.

Erfolgreich gegen Hautkrebs

Der Vorteil: Die Immuntherapie greift den Krebs deutlich gezielter an als die gängige Chemotherapie. Entsprechend besser ist die Wirkung, entsprechend kleiner die Nebenwirkungen für die Patienten. Ein solches Medikament ist inzwischen auf dem Markt: gegen bösartigen schwarzen Hautkrebs. «Wir sehen, dass etwa 20 bis 25 Prozent der Patienten damit über Jahre hinweg in eine stabile Phase kommen. Das ist das Erstaunliche an der Immuntherapie: Diese stabile Phase hat sich eingestellt, auch wenn das Medikament abgesetzt wurde. Es scheint so zu sein, als ob das Medikament eine Art Gedächtnis wiederherstellt, ein Gleichgewicht zwischen Immunsystem und dem Tumor», sagt Alfred Zippelius.

Ärzte wie Alfred Zippelius setzen grosse Hoffnungen auf die Immuntherapie. Ebenso die Pharma-Branche: Konzerne wie Roche, Merck oder Bristol-Meyers Squibb investieren Milliarden in die Forschung. Sie liefern sich derzeit ein Wettrennen um die Vormachtstellung in diesem vielversprechenden Geschäft.

Es steht noch viel Forschungsarbeit aus

Neue Medikamente zur Marktreife zu bringen, ist aber gar nicht so einfach, beobachtet Birgit Kulhoff, Pharma-Analystin bei der Privatbank Rahn & Bodmer. Denn Immuntherapien müssen, um optimal zu wirken, mit andern Medikamenten kombiniert werden. Es dauere sicherlich noch zehn Jahre, bis der Durchbruch geschafft sei und rund 60 Prozent aller Krebsarten wirksam mit einer Immuntherapie behandelt werden könnten, so die Prognose von verschiedenen Branchenbeobachtern. 30 Milliarden US-Dollar schwer soll dieser Medikamenten-Markt dereinst sein. Allerdings dürfte sich dieses Volumen auf viele verschiedene Medikamente verteilen: Die grossen Kassenschlager, mit denen Pharmakonzerne wie Roche heute Milliardenumsätze pro Jahr erwirtschaften, die werde es im Bereich der Immuntherapie kaum geben, ist die Pharma-Analystin überzeugt.

Die Pharmaindustrie lässt sich davon aber nicht abschrecken und setzt derzeit alles daran, möglichst rasch solche Produkte auf den Markt zu bringen und investiert Dutzende von Milliarden in diese Forschung. Die Hoffnungen sind riesig: bei Forschern, Ärzten und Patienten. Doch ein Ziel bleibt wohl auch damit unerreichbar: Den Krebs dereinst ganz zu besiegen.

Meistgelesene Artikel