Die Röntgenärztin Patricia Flach fährt mit der Computermaus über den Bildschirm. Der Schädel, in dem ein Messer steckt, verwandelt sich blitzschnell in einen Kopf. Sie bewegt die Maus weiter, der Kopf dreht sich dreidimensional. Ein Mausklick und das Fleisch verschwindet wieder, stattdessen lugt jetzt der Schädel aus den Weichteilen heraus. «Wir haben hier einen Fall von scharfer Gewalt gegen den Kopf. Auf den Bildern kann man auch erkennen, dass die Spitze des Messers im Rücken steckt.» Mit den Angaben der Röntgenärztin kann der Rechtsmediziner dann die Messerspitze aus der Leiche herausschneiden. Schliesslich dient diese als Beweismittel.
Die Bilder aus dem CT und die Bilder die der «Virtobot» liefert, werden mit Aufnahmen aus dem Magnetresonanztomographen (MRI) zu einem Datensatz zusammengeführt und lassen dann auch Rückschlüsse auf Tatwerkzeuge wie zum Beispiel Messer, Hammer, Gebiss- oder Schuhabdrücke zu. Bereits zweimal ist Virtopsy (Verkürzung des englischen Begriffs für «virtuelle Autopsie») in US-amerikanischen «CSI»-Krimis gezeigt worden.
Tatorte und Unfallstellen werden gescannt
«Mit Hilfe von Virtopsy lassen sich Tathergänge dreidimensional rekonstruieren. Mittlerweile scannt auch die Polizei zum Beispiel Unfallstellen und Unfallfahrzeuge. So können wir Fussgängerunfälle ohne Probleme rekonstruieren», sagt Michael Thali, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Zürich. Er betont, dass Virtopsy Teamarbeit sei. Da sind Informatiker, Rechtsmediziner, Röntgenärzte und zum Teil aus das Disney Research Center der ETH Zürich beteiligt. «Auch von Computerspielen lernen wir immer wieder», sagt Thali.
Virtopsy und das Team um Michael Thali vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, die das neuartige Verfahren entwickelt haben, wurden mit dem Swiss ICT Special Award 2015 ausgezeichnet. «Das Projekt ‹Virtopsy› löst dank IT die Trennungen in der traditionellen Rechtsmedizin auf, bei welcher Kriminaltechniker zuerst den Tatort untersuchen und die Rechtsmediziner anschliessend Opfer autopsieren», schreibt Swiss ICT auf ihrer Webseite.