Nach 340 Tagen in der Schwerelosigkeit setzten die Astronauten erstmals wieder Fuss auf festen Boden – oder hätten es vielleicht gern getan, denn mit Gehen war noch nicht viel los. Vielmehr wurden die drei Männer aus ihrer Raumkapsel getragen und zugedeckt in bequemen Sesseln platziert.
Bei genauerer Betrachtung erstaunt das nicht: Fast ein ganzes Jahr in der Schwerelosigkeit hinterlässt körperliche Spuren. Zuerst sei es den Astronauten im Weltall wegen der ungewohnten Schwerelosigkeit häufig schlecht, sagt Alexander Choukèr, Anästhesist am Klinikum München, der regelmässig gemeinsam mit der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA forscht.
Kampf mit der Schwerkraft
Zurück auf der Erde muss der Körper auf einmal wieder gegen die Schwerkraft arbeiten – das Blut zirkuliert ja im Körper. Anders in der Schwerelosigkeit: «Dort fehlt auf einmal der Zug der Schwerkraft, der Körper passt sich an. Nach so langer Zeit im Weltall ist die Schwerkraft plötzlich wieder da und es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass die Astronauten ohnmächtig werden. Es gab vor einigen Jahren schon Situationen bei einer Astronautin, die immer wieder am Rednerpult kollabierte, weil sie die Regulation des Kreislaufs in so kurzer Zeit nicht auf die neue Bedingung Schwerkraft einstellen konnte», berichtet Alexander Choukèr.
Im All produziert der Mensch darüber hinaus weniger rote Blutkörperchen. Sie versorgen den Körper mit Sauerstoff und damit mit Energie. Zurück auf der Erde regeneriert sich das Blut dann aber recht schnell von selber wieder.
Verlorene Muskelmasse
Ein grösseres Problem ist dagegen die in der Schwerelosigkeit mangels Beanspruchung verlorene Muskel- und Knochenmasse. Die Knochen verlieren insbesondere Kalzium. «Natürlich unterziehen sie sich auf der ISS einem strengen Trainingsprogramm. Es gibt sehr ausgetüftelte Trainingsmethoden und regelmässige Trainingseinheiten, aber nichtsdestotrotz ist so eine Jahresmission schon eine Herausforderung», sagt Alexander Choukèr, der schon an verschiedenen Missionen im All mitgearbeitet hat.
Er weiss deswegen auch, wie es mit dem Amerikaner Scott Kelly und seinem russischen Kollegen Mikhail Kornienko jetzt weitergeht. «In der Regel fliegen sie dann liegend in ihre Heimat. Danach können sie nach einer gewissen Erholungsphase wieder aufstehen. Jeder empfindet das individuell anders, ob er das gut übersteht oder nicht. Aber sie werden unter Beobachtung mehr und mehr mobilisiert. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sie schon am nächsten Tag zu Fuss mit ärztlicher Begleitung in den Gängen ihrer Einrichtung unterwegs sind.» In der Rehabilitation sind strenge Physiotherapie, Kreislauf- und Muskeltraining angesagt.
Hinzu kommt die Infektanfälligkeit. Im All sind die Astronauten fast keinen Keimen ausgesetzt. In den ersten Tagen ist der Kontakt zu anderen Menschen deswegen beschränkt – am besten zusätzlich mit Handschuhen und Mundschutz.
«Das ist ein sehr praktisches Vorgehen, das auch aus den Apollo-Missionen herrührt. Man weiss aber noch nicht so genau, in welchem Zeitraum und wie weit sich das Immunsystem wieder von diesem Langzeitaufenthalt erholen kann. Die neuen Untersuchungen werden hier sicher viel weiter in die Zukunft reichen: Auch nach der Rückkehr der Astronauten wird man sie sicher länger beobachten als bisher.»
Weitere Effekte eines längeren Aufenthalts im Weltraum
- Beine: Die Beine werden dünner und sind schlechter durchblutet. An den Fusssohlen verschwindet die Hornhaut.
- Leber: Sie arbeitet im Weltall anders – deshalb sind andere Dosierungen erforderlich.
- Herz: Die linke Herzkammer schrumpft um bis zu zehn Prozent. Das kann zu erhöhter Müdigkeit führen.
- Wirbelsäule: Sie dehnt sich um einige Millimeter aus.
- Gesicht: Die obere Körperhälfte wird stärker durchblutet, das Gesicht wirkt dadurch aufgedunsen. Auch der Blickwinkel der Augen verändert sich: Er senkt sich von 10 auf 15 Grad.