Wer Bücher liest, weiss: Lesen lässt einen in eine fremde Welt abtauchen, erweitert den Horizont, lenkt ab, amüsiert. Dass Bücher uns aber auch therapieren können, ist weniger bekannt. «Literarische Therapie» nennt sich das, oder: «Bibliotherapie».
Statt Medikamente werden – auf die Lebenssituation des Patienten angepasst – Bücher verschrieben. «Ulysses» zur Selbstfindung oder «Stolz und Vorurteil» für Liebeskranke? Denkbar wär's.
Neu ist die Erkenntnis nicht, dass Bücher dem Gemüt gut tun. Schon im antiken Theben stand gross am Eingang einer Bibliothek «Heilender Ort für die Seele». Auch Sigmund Freud setzte Literatur an seinen Sitzungen ein, und nach dem Ersten Weltkrieg wurden traumatisierte Soldaten in Lesetherapien geschickt.
Als fester Begriff tauchte die Bibliotherapie erstmals 1916 auf, in einem Bericht der amerikanischen Zeitung «Atlantic monthly». Der Protagonist: Ein Priester, der im Keller seiner Kirche ein «bibliopathisches Institut» führt. Er ist überzeugt, dass Bücher schmerzlindernder sind als der leckerste Sirup. Aber sie können auch schaden: Ein Patient ist bei ihm wegen einer Überdosis Kriegsliteratur in Behandlung.
Heute wird die Büchertherapie unterschiedlich eingesetzt. Ob für demente Menschen, in Lesezirkeln für Häftlinge oder auch in Einzeltherapie. Selbst die Wissenschaft bestätigt die heilende Kraft der Bücher: Vielleser sind weniger gestresst, haben ein besseres Selbstwertgefühl – und sie sind empathischer.
Unsere Empfehlung: Lesen Sie statt der Packungsbeilage also lieber ein Buch!