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Ein Laptop mit roten Herzen auf der Tastatur, dahinter aiuf dem Bildschirm die Startseite eines Onlinedating-Portals.
Legende: Das Internet eröffnet Singles eine erschlagende Fülle an potenziellen Traumpartnern. imago

«Eine Beziehung ist wie eine Bergwanderung»

Die Partnersuche im Internet boomt. Datingplattformen und Apps lösen Arbeitsplatz, Sportverein oder Tanzkurs als Partnerbörse zusehends ab und eröffnen eine scheinbar unerschöpfliche Auswahl. Das schafft neue Möglichkeiten, hat altbekannte Hürden aber nicht beseitigt.

Wo lernen sich Leute heute kennen? «An denselben Orten wie vor 20 Jahren», weiss der Psychologe und Psychotherapeut Daniel Regli. «In der Freizeit, am Arbeitsplatz – und natürlich auch im Internet.» Dabei hat das Internet eine ähnliche Funktion wie früher die Kontaktanzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften: Man preist sich an und sucht ein möglichst exakt umschreibenes Gegenüber.

Was sich durch das Kennenlernen auf Online-Plattformen und via Dating-App geändert hat: Die Auswahl ist viel grösser geworden. Diese Möglichkeit, quasi in einem riesigen Katalog nach dem perfekten Partner, der perfekten Partnerin zu suchen, hat aber auch ihre Schattenseiten. «Wenn das erste Date nicht nach Wunsch verläuft, wendet man sich gleich dem nächsten Kandidaten zu», weiss Regli aus seiner Praxis. Wenn der Funke nicht gleich überspringt, gibt es keinen zweiten oder dritten Versuch. Die Zeit für eine langsame Annäherung wie beim Kennenlernen im Verein oder an Arbeitsplatz mag man sich nicht nehmen – der perfekte Partner wartet ja vielleicht nur einen Mausklick weiter.

Viele Singles sind denn auch nicht bereit, Kompromisse einzugehen. «Ich habe klar den Eindruck, dass die Ansprüche durch das Online-Dating gestiegen sind», sagt Regli. Zum Teil sei dies sicher berechtigt, wenn daraus länger haltende Beziehungen entstehen. «Die vorliegenden Zahlen weisen aber eher nicht darauf hin, dass das der Fall ist.»

Keine Lust auf Konflikte oder Kompromisse

Durch die Auswahlmöglichkeiten und die gesteigerte Erwartungshaltung fehle es mittlerweile an einer Art Fehlertoleranz. «Wir müssen von Anfang an perfekt sein und alles richtig machen und dürfen die geweckten Erwartungen auf keinen Fall enttäuschen – was die in einer Beziehung über kurz oder lang zwangsläufig eintretenden Enttäuschungen nur umso grösser macht.»

Die komplizierte Seite kommt in einer Beziehung aber über kurz oder lang zum Vorschein. Dann muss man bereit sein, dies zu teilen und mit dem Partner durchzustehen. Daniel Regli vergleicht es mit einer Bergwanderung. «Es geht rauf und runter, man schwitzt und muss auch mal einen Zwischenhalt machen.» Dazu fehle häufig die Bereitschaft, aber leider gibt es keine bequeme Abkürzung zum Gipfel.

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