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Endometriose - Wenn Menstruationsschmerzen unerträglich sind

Starke Menstruationsbeschwerden haben oft einen Grund: Endometriose. Mehr als jede zehnte Frau leidet daran. Und trotzdem wird die Krankheit oft erst nach Jahren oder gar nicht erkannt. Heilen kann man die Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut nicht – die Symptome aber sehr gut behandeln.

Wer an Endometriose leidet, kennt vor allem eines: Schmerzen.

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Schmerzen, die kaum auszuhalten sind. Während der Menstruation, aber auch davor oder danach. Beim Stuhlgang und beim Geschlechtsverkehr. Dazu kommen weitere Symptome wie Durchfall während der Menstruation, Ohnmachtsanfälle, Erschöpfung und oft ein unerfüllter Kinderwunsch.

Endometriose, das ist eine oft fortschreitende chronische Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhautinseln ausserhalb der Gebärmutter ansiedeln. Zum Beispiel am Bauchfell, am Darm, an der Blase oder an den Eierstöcken. Jeden Monat, wenn die Menstruation einsetzt, bluten auch diese Wucherungen – bloss kann das Blut nicht abfliessen. Und eben das bedeutet: Schmerzen.

Die Blutungen führen zu Entzündungen, Wucherungen und Verwachsungen in der Bauchhöhle. Das wiederum führt oft zu weiteren Schmerzen, nicht mehr nur während der Menstruation, sondern dauernd. Die Endometriose und der Versuch, diese Schmerzen zu bewältigen, dominieren das Leben der Patientinnen; oft richten sie ihren Alltag nur noch rund um die Schmerzen ein.

Eine chronische Krankheit

Zwar kann eine Operation helfen, sie ist eine der möglichen schulmedizinischen Behandlungsmethoden bei Endometriose. Dabei werden entweder die einzelnen Herde ausserhalb der Gebärmutter entfernt, oder aber auch die ganze Gebärmutter. Denn der Monatszyklus gilt als Auslöser der Endometriose-Beschwerden. Ist die Gebärmutter entfernt oder die Menstruation unterdrückt, ist laut Ärzten die Wahrscheinlichkeit gering, weiterhin an Endometriose zu leiden. Weitere Behandlungsmethoden sind entzündungshemmende Schmerztabletten oder eine Hormonbehandlung.

Aber: Die Krankheit kann immer wieder auftreten, selbst nach einer Operation.

«Endometriose ist eine chronische Krankheit. Sie kann nicht geheilt werden, aber man kann sie sehr gut behandeln», sagt Prof. Michael Mueller, Chefarzt Gynäkologie vom Inselspital Bern und Spezialist für Endometriose. «Ziel der Behandlung ist vor allem eine gesteigerte Lebensqualität der Patientin. Es geht darum, den Schmerz im Griff zu haben. Eine individuell massgeschneiderte Behandlung ist das wichtigste bei der Endometriose. Wenn eine Frau noch einen Kinderwunsch hat, dann geht man das anders an, als wenn eine Frau sagt: ich habe die Nase so voll, in erster Linie will ich einfach keine Schmerzen mehr.»

Klar ist aber: Weil Endometriose eine chronische Krankheit ist, weil sie immer wieder kommen kann, weil viele Patientinnen nicht nur einmal sondern bis zu fünf, sechs Mal operiert werden müssen und weil Endometriose das Leben verändert und bestimmt – müssen die Patientinnen lernen, mit der Krankheit zu leben. Für viele Frauen ist dabei der Austausch mit anderen Betroffenen wichtig und hilfreich. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann ihnen helfen.

Susanne Gerber von den Selbsthilfezentren BE, Fachleiterin Zentrum Emmental-Oberaargau, hat eine der ersten Endometriose-Selbsthilfegruppe in der Gründungphase begleitet.

«Puls»: Frau Gerber, was bedeutet überhaupt Selbsthilfe?

Susanne Gerber: Das Selbsthilfeverständnis basiert auf Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Mitverantwortung und Solidarität. Wer sich für eine Selbsthilfegruppe entscheidet, sollte bereit sein, selbstverantwortlich zu handeln und Mitverantwortung in der Gruppe zu tragen. Eine Selbsthilfegruppe ersetzt keine Therapie. Aber sie ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems und trägt oft einen wesentlichen Teil zur Kostensenkung bei.

Was passiert in einer Selbsthilfegruppe?

Susanne Gerber: Es kursieren viele Vorurteile gegenüber Selbsthilfegruppen und ihren Mitgliedern. Da fallen Wörter wie «Kafichränzli» oder «Plauderigruppe». Natürlich ist eine Selbsthilfegruppe ein Ort für gegenseitige Unterstützung und Austausch unter Betroffenen. Aber das geht weit über ein «Kafichränzli» hinaus: Die Selbsthilfegruppe ist auch ein Ort an dem sehr viel Fachwissen und Erfahrungswissen von Betroffenen zusammen kommt.

In einer schweizerischen Studie wurden 300 Selbsthilfegruppen befragt, was sie hauptsächlich an ihren Treffen tun. Dreiviertel der befragten Gruppen meint: «In Selbsthilfegruppen geschieht häufig ein Erfahrungsaustausch über den Umgang mit der Krankheit oder dem ‹Problem›. Informationen bezüglich Medikamenten, Fachstellen, Ernährung, Behandlungsmethoden, etc. werden ausgetauscht. Betroffene oder Angehörige können offen über ihre Gefühle – Ängste, Freude und Traurigkeit sprechen». Ca. ein Drittel der befragten Gruppen nennt weitere Aktivitäten wie Verhaltensänderungen anstreben, gegenseitige Unterstützung beim Einüben neuen Verhaltens und lockere Austauschtreffen, an denen geselliges Beisammensein gepflegt wird.

Ist eine Selbsthilfegruppe für alle Betroffenen die richtige Lösung?

Susanne Gerber: Betroffene Menschen oder Angehörige von betroffenen Menschen müssen für sich herausfinden, ob eine Selbsthilfegruppe für sie eine Möglichkeit ist zu lernen, besser mit ihrer Lebenssituation umzugehen. Gastbesuche in der entsprechenden Gruppe lohnen sich, um entscheiden zu können. Mit einem oder mehreren solchen Schnupperbesuchen können Selbsthilfeinteressierte für sich heraus finden, ob und vor allem auch welche Selbsthilfegruppe für sie das Richtige ist.

Denn jede Selbsthilfegruppe ist anders. Und nicht jeder fühlt sich in der gleichen Gruppe wohl. Deswegen unterstützen wir die Einzigartigkeit und Vielfalt der Gruppenformen und deren Entwicklung.

Ich möchte in eine Selbsthilfegruppe – wo und wie finde ich die Angebote?

Es gibt 19 Kontaktstellen in der Schweiz an die Sie sich wenden können. Die zuständigen Fachpersonen beraten Sie kostenlos und vermitteln sie an die Kontaktperson der jeweiligen Selbsthilfegruppe. Genauere Angaben finden Sie auf www.kosch.ch in den Rubriken Selbsthilfegruppen und Kontaktstellen . Die Stiftung KOSCH (Koordination und Förderung von Selbsthilfegruppen in der Schweiz) bildet die Dachorganisation der regionalen Kontaktstellen. Selbsthilfegruppen sind aber autonom und eigenverantwortlich.

Ich möchte in eine Selbsthilfegruppe, in meiner Nähe gibt es aber keine. Wie kann ich eine eigene Selbsthilfegruppe gründen?

Susanne Gerber: Wer eine Selbsthilfegruppe gründen möchte, kann sich an die nächste Kontaktstelle und deren Fachpersonen wenden. Die Fachpersonen der Selbsthilfezentren unterstützen die Initianten beim Aufbau einer Selbsthilfegruppe. Es wird ein Flyer zum entsprechenden Thema gestaltet, geeignete Gruppenräume in der Region gesucht, Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Während der Startphase wird die Gruppe begleitet und nach Bedarf kann sie weitere Beratungen in Anspruch nehmen.

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