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Engpass wegen Grüntee-Hype Matcha statt Kaffee? Was das grüne Pulver wirklich kann

Sanfter und gesünder als Kaffee – und nun Mangelware. Was ist dran am Hype um Matcha? Ein Blick auf die Wissenschaft, die Wirkung – und den wachsenden Druck auf die Teepflückerinnen in Japan.

Er sieht aus wie Moos, schmeckt nach Alge – und soll Energie spenden, ohne den Körper zu stressen: Matcha. Das leuchtend grüne Teepulver aus Japan hat sich in den vergangenen Jahren vom Nischenprodukt zum omnipräsenten Energie-Kick im Leben vieler busy Städterinnen gemausert.

Aber welche der Versprechen sind wissenschaftlich haltbar? Ist Matcha vielleicht der bessere Kaffee?

Wach macht Matcha tatsächlich. Wie Kaffee enthält es Koffein – allerdings deutlich weniger. Und auch die Wirkung zeigt sich anders: Im Matcha ist es nämlich an Gerbstoffe gebunden, sogenannte Tannine. Diese sorgen dafür, dass das Koffein im Körper langsamer aufgenommen wird. Die Wirkung setzt dadurch verzögert ein – und hält länger an. Ganz ohne «Energie-Crashes», wie es dieses Tiktok-Video verspricht:

Viele Fans berichten von «klarem Wachsein ohne Zittern» – ein Effekt, der durch die im Matcha enthaltene Aminosäure L-Theanin unterstützt werden könnte und den viele schätzen, wenn sie von Kaffee auf Matcha umsteigen. Die Aminosäure wirkt im Gehirn dämpfend auf Erregungszustände und fördert die Konzentration. Lohnt es sich vor einer wichtigen Aufgabe also zum Matcha-Mug statt zur Kaffeetasse zu greifen?

Langzeitdaten fehlen

Schwer zu sagen. Vergleichsstudien mit Kaffee fehlen nämlich. Ob Matcha wirklich «besser» wach macht, bleibt offen.

Wirkung Kaffee vs. Matcha

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Kaffee

  • Wirkungseintritt: nach ca. 15–30 Minuten
  • Höchstwirkung: nach etwa 45–60 Minuten
  • Grund: Das Koffein aus Kaffee wirkt im Magen-Darm-Trakt und gelangt schnell ins Blut und Gehirn. Die Wirkung ist deutlich spürbar – oft auch schlagartig.

Matcha

  • Wirkungseintritt: meist langsamer, nach 30–60 Minuten
  • Wirkdauer: kann gleichmässig über mehrere Stunden anhalten
  • Grund: Das Koffein im Matcha ist an Gerbstoffe (Tannine) gebunden, wodurch es langsamer freigesetzt wird. Dazu kommt L-Theanin, das den stimulierenden Effekt zusätzlich abmildern und verlängern kann.

    Grundsätzlich ist Kaffee aber deutlich besser erforscht. Einige grosse Studien belegen einen Zusammenhang zwischen moderatem Kaffeekonsum und einem reduzierten Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bestimmte Krebsarten. Für Matcha gibt es solche Langzeitdaten bislang nicht.

    Woher kommt Matcha eigentlich?

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    Luftbild von grünen Teefeldern mit Wegen.
    Legende: Luftaufnahme der Uji-Grüntee-Felder in Japan. IMAGO / Cavan Images

    Ursprünglich stammt Matcha aus China – doch seine eigentliche Heimat fand er in Japan. Dort brachten Zen-Mönche im 12. Jahrhundert nicht nur das Teepulver mit, sondern auch eine neue Idee davon, wie man trinkt: langsam, bewusst, still.

    Im 16. Jahrhundert wurde Matcha Teil einer kunstvollen Teekultur – mit klaren Regeln, reduzierter Ästhetik und einer Prise Philosophie. Bis heute gilt die Region Uji bei Kyoto als Zentrum des besten Matchas – dort wächst er noch immer im Schatten, wird von Hand geerntet und auf Granitsteinen zu feinem Pulver gemahlen.

    Von dort aus fand Matcha seinen Weg in den Westen – erst über japanische Spezialitätenshops, dann über hippe Cafés in New York, Berlin oder Zürich. Inzwischen eröffnen eigene Matcha-Bars, Online-Clubs und Pop-ups – grün, schaumig und global vermarktet.

    Ob Matcha grundsätzlich gesünder ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Er enthält zwar viele sogenannte Catechine – Pflanzenstoffe, denen eine schützende Wirkung im Körper nachgesagt wird. Besonders viel steckt vom Stoff EGCG im Matcha, der auch in Kapselform als Nahrungsergänzung verkauft wird.

    In Laborexperimenten und Tierversuchen zeigt EGCG positive Effekte. Es kann Zellen vor Schäden schützen, Entzündungen dämpfen und Blutfettwerte beeinflussen. Aber: Beim Menschen ist die Studienlage dünn. Es gibt nur wenige Untersuchungen – und die sind meist klein und nicht sehr aussagekräftig. Ob Matcha langfristig Krankheiten vorbeugen kann, ist also bislang nicht belegt.

    Globaler Teemarkt leidet

    Was Matcha dagegen definitiv beeinflusst, ist der globale Teemarkt. Der weltweite Boom – befeuert durch Instagram und Tiktok, Wellness-Trends und die Suche nach «besserem» Koffein – bringt die Produzenten in Japan unter Druck. Hochwertiger Matcha wird aus handgepflücktem Tencha hergestellt, einem beschatteten Grüntee, der in einem aufwendigen Verfahren zu feinem Pulver vermahlen wird.

    Person erntet Pflanzen auf terrassiertem Feld.
    Legende: Anbau und Produktion von Matchapulver ist aufwändig: Matchaernte in der Provinz Guizhou in China. IMAGO / Xinhua

    Doch die Nachfrage ist schneller gewachsen als die Anbaufläche. In Japan schlagen erste Produzentinnen bereits Alarm: Die Schattenplantagen in Kyoto und Kagoshima geraten an ihre Grenzen, neue Felder lassen sich kaum erschliessen, während Grossabnehmer aus Europa und den USA ganze Ernten vorab reservieren. Einige Anbieter sprechen von einem drohenden Kulturgutverlust.

    Aktuelle Folgen für Teepflückerinnen in Japan

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    • Mehr Arbeit – aber nicht unbedingt mehr Einkommen:
      Die gestiegene Nachfrage führt dazu, dass vorhandene Ernteflächen intensiver genutzt werden. Gleichzeitig wird der Druck auf Tempo und Qualität grösser – ohne dass die Löhne im gleichen Mass steigen. Viele Teepflücker arbeiten saisonal und körperlich extrem fordernd, oft auf Honorarbasis.
    • Fachkräftemangel auf den Feldern:
      In Japan ist die Teepflückerei traditionell Handarbeit – vor allem in der Matcha-Produktion. Doch viele der erfahrenen Pflücker:innen sind über 60, Nachwuchs fehlt. Der Arbeitskräftemangel wird durch die plötzlich gestiegene Nachfrage verschärft – viele Plantagen können schlicht nicht mehr Menschen einsetzen, weil es sie nicht gibt.
    • Anbaugrenzen trotz Nachfrage:
      Matcha entsteht aus speziell beschattetem Grüntee (Tencha). Diese Flächen lassen sich nicht beliebig ausweiten – sowohl wegen klimatischer als auch geografischer Grenzen. Das bedeutet: Die Produktionen stossen an natürliche Limits, selbst wenn die Welt mehr kaufen will.
    • Exportdruck verdrängt Inlandsmärkte:
      Immer mehr Tee geht ins Ausland – etwa nach Europa, in die USA oder nach Südkorea. Für lokale Konsumenten wird echter Matcha seltener – auch das verändert die Rolle der Pflücker: Sie arbeiten zunehmend für globale Märkte, nicht mehr für die eigene Kultur.

      Wer also Matcha trinkt, sollte nicht nur fragen, ob er ihm guttut. Sondern auch: Wem nützt dieser Boom – und was ist er uns wert?

      29.07.2025, SRF4 HeuteMorgen, 06:00 Uhr

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