«Dieser Filter ist magisch!», lacht Sreenath Bolisetty. Der junge Mann aus Zürich sitzt an einem kleinen Tisch in einem Labor des Paul Scherrer Instituts bei Villigen im Aargau. Dort schneidet er eben diesen «magischen» Filter in eine kreisrunde Form von etwa fünf Zentimetern Durchmesser.
Nun soll ein Experiment zeigen, ob dieser Filter tatsächlich zu halten vermag, wovon seine Erfinder, der ETH-Materialforscher Raffaele Mezzenga und der Nano-Technologe Sreenath Bolisetty zutiefst überzeugt sind: das Reinigen einer mit Dutzenden radioaktiven Elementen verunreinigten Lösung.
Bedarf dafür wäre auf jeden Fall vorhanden: nicht nur in Fukushima, wo das Wasser bisher mit aufwändigen und teuren Verfahren gereinigt werden muss, sondern auch in anderen Kernkraftwerken, der Industrie, Forschung und selbst in Spitälern fallen täglich Unmengen radioaktiv verunreinigten Wassers an. Für sie alle wäre der Atomfilter eine einfache und preiswerte Lösung für ein grosses, teures Problem.
Ein Filter aus Milch, Kohle und Papier
Die Zusammensetzung des Zürcher «Atomfilters» ist verblüffend einfach: ein Vlies aus Cellulose-Fasern, in das Aktivkohle-Pulver sowie Milchprotein-Fasern eingearbeitet sind. Das Geheimnis steckt allerdings im Detail, das die beiden Erfinder natürlich nicht preisgeben wollen: der nanotechnologischen Modifikation des Milchproteins.
«Über zehn Jahre haben wir daran geforscht», bekennt Sreenath Bolisetty. Erste Tests zeigten, dass der Filter in der Lage ist, Schwermetalle, Bakterien und sogar Viren zuverlässig aus Wasser zu entfernen. Doch kann dieser Filter sogar radioaktiv verseuchtes Wasser reinigen?
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Der Forschergeist ist geweckt
Unterstützung bekommen die Zürcher Forscher von Experten des Paul Scherrer Instituts. Die Radiochemiker Robert Eichler und Patrick Steinegger sind neugierig auf den Filter – aber auch skeptisch: «Ja, es tönte schon etwas crazy», meint Patrick Steinegger.
Sein Kollege Robert Eichler schiebt lachend nach: «Als ich das erste Mal davon gehört habe, hab‘ ich es nicht geglaubt». Doch der Gedanke, womöglich eine zuverlässige und preiswerte neue Methode für das Reinigen von radioaktiv kontaminiertem Wasser zu entdecken, weckt ihren Forschergeist.
Per Spritze durch den Atomfilter
Für ihren Test stellen die PSI-Experten wenige Milliliter eines winzigen Atom-Cocktails her. Gelöst in Wasser entspricht die Zusammensetzung tatsächlich einer wässrigen Lösung wie sie auch in einem AKW anfallen kann: Es enthält rund 30 verschiedene, ziemlich aktive Radioisotope, was das Geiger-Zählrohr beeindruckend durch lautes Piepsen zu bestätigen weiss.
Diese radioaktive Mixtur schickt Sreenath Bolisetty per Spritze durch seinen Atomfilter. Eine exakte Messung per Gammaspektrometer soll zeigen, welche Elemente sich nach der Filtration noch im Wasser befinden.
«Ziemlich überzeugend, würde ich sagen»
Als die Messwerte auf dem Monitor erscheinen, weicht die Anspannung freudiger Erregung: das gemessene Spektrum bleibt auffällig flach. Damit ist klar: Der Filter hat fast alle radioaktiven Isotope aus dem Wasser entfernt. «Das ist ein grosser Durchbruch», freut sich Robert Eichler, «das müssen wir jetzt weiter untersuchen, damit wir nachvollziehen können, wann das funktioniert und unter welchen Bedingungen das vielleicht noch besser funktioniert.» Für den Radiochemiker eröffnet der Atomfilter neue und wichtige Forschungsmöglichkeiten für die Zukunft.
Im Prinzip ist der Filter bereits jetzt marktreif, weitere Tests müssen jedoch zeigen, ob damit auch grosse Mengen radioaktiv kontaminierten Wassers zuverlässig gereinigt werden können.