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Arzt hält Stethoskop und macht mit der anderen Hand das «Daumen runter»-Zeichen.
Legende: Die Empfehlungen des Swiss Medical Board werden gehört, stossen aber nicht immer auf offene Ohren. imago

Expertenberichte für die Katz?

Das Swiss Medical Board nimmt Tests und Therapien unter die Lupe und gibt Empfehlungen heraus, ob sie aus medizinischer, ökonomischer, ethischer und rechtlicher Sicht vertretbar sind – oder ob die Ärztinnen und Ärzte lieber darauf verzichten sollten. Doch eine Studie zeigt: Die hören nicht hin.

Das Swiss Medical Board (SMB) hat in den letzten Jahren für ordentlich Zoff gesorgt: Das Gremium nimmt einzelne Therapien oder Tests unter die Lupe, sichtet die wissenschaftlichen Befunde dazu und gibt dann Empfehlungen heraus, ob diese Interventionen auf guter wissenschaftlicher Basis stehen – oder ob Ärztinnen und Ärzte lieber darauf verzichten sollten.

Verzichten sollten sie zum Beispiel in den meisten Fällen auf eine Knie-Operation bei einem Kreuzbandriss. Stattdessen sollte man auf Physiotherapie setzen. Auch der PSA-Test für die Früherkennung von Prostatakrebs wird nur sehr eingeschränkt empfohlen. Mit diesen und anderen Empfehlungen hat sich das Swiss Medical Board viele Feinde geschaffen. Einige betroffene Ärztinnen und Ärzte gehen sogar so weit, dem SMB die Expertise rundweg abzusprechen.

Bringen diese Empfehlungen also überhaupt etwas? Genau das hat Klaus Eichler von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW anhand der beiden erwähnten Empfehlungen untersucht. SRF-Wissenschaftsredaktor Pascal Biber hat mit ihm über die Ergebnisse der Studie geredet, die demnächst im « Swiss Medical Weekly » veröffentlicht werden soll.

SRF: Trotz der SMB-Empfehlungen vor sechs beziehungsweise vier Jahren wird nicht weniger am Kreuzband operiert, und es werden auch nicht weniger PSA-Tests durchgeführt. Ist das nicht ziemlich ernüchternd?

Klaus Eichler

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Prof. Klaus Eichler ist Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit Schwerpunkt auf gesundheitsökonomischen Themen. Unter seiner Leitung untersucht ein Projektteam der ZHAW die Auswirkungen von Empfehlungen des Swiss Medical Boards auf die medizinische Praxis im Alltag.

Prof. Klaus Eichler: Ich denke, man muss die Situation etwas differenzierter sehen. Die Publikation eines Fachberichts ist ja nur ein Element im ganzen Kanon von Meinungsbildungen, die stattfinden, wenn es um medizinische Interventionen geht. Man weiss zum Beispiel aus dem Ausland, dass solche Berichte bei ihrer Publikation noch keine Wirkung zeigen, über längere Zeit aber durchaus Veränderungen möglich sind.

Letztendlich hängt es natürlich davon ab, wie die Einstellung der Akteure – Ärzte, Patienten, Konsumenten – zu diesen Berichten ist. Es kann sein, dass ein Fachbericht auf allgemeine Ablehnung stösst. Es kann aber auch sein, dass sich Ärzte zwar damit einverstanden erklären, aber Patienten darauf bestehen, dass ein Test trotzdem gemacht wird.

Die Situation ist recht komplex. Man kann deshalb eigentlich nicht erwarten, dass von einer einzigen Publikation erdrutschartige Veränderungen ausgehen.

Betrachtet man die Reaktionen auf die jeweiligen SMB-Berichte, dann war das ja häufig ein Aufschrei seitens der betroffenen Fachgesellschaften und Mediziner. Besteht da überhaupt Hoffnung, dass sich jemand, der ja auch von solchen Interventionen lebt, von einem solchen Bericht umstimmen lässt?

Es kommt natürlich immer auch darauf an, aus welchem Lager die jeweiligen Beteiligten kommen. Wenn man in einer Berufsgruppe tätig ist, wo der PSA-Test eine lange Tradition hat, bei den Urologen zum Beispiel, dann ist die Grundeinstellung dazu eine andere als vielleicht bei anderen Fachbereichen. Es gibt Befürworter der SMB-Berichte, es gibt Gegner – ich würde sagen, das Feld ist gemischt. Aber es werden bekanntlich oft jene am ehesten wahrgenommen, die am lautesten schreien.

Swiss Medical Board (SMB)

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Dieses Experten-Gremium prüft umstrittene medizinische Leistungen auf ihren Nutzen und ihre Kosten. So soll die Qualität im Gesundheitssystem verbessert werden. Kritisch beurteilt hat das SMB etwa die Früherkennung von Brustkrebs mittels Mammografie, den Stellenwert des PSA-Screenings oder die gängige Operationspraxis bei Bänderriss.

Sie würden also nicht sagen, dass das Swiss Medical Board ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, und die Berichte deshalb keine praktischen Auswirkungen haben?

Eine Institution, die rückhaltlose Akzeptanz geniesst, hat es sicher leichter als eine Organisation, die auch im Kreuzfeuer der Kritik steht. Das Akzeptanz-Problem könnte mit ein Grund dafür sein, dass sich wenig bewegt. Aber wie gesagt: Wir haben Zahlen aus dem Ausland von renommierten Institutionen, die ebenfalls Berichte publiziert haben, und wo sich ein ähnliches Bild zeigt.

Ist das SMB mit seinen Empfehlungen nicht einfach zu zahnlos? In anderen Ländern haben solche Organisationen ja ein viel grösseres Gewicht.

Da haben Sie natürlich Recht. Das Swiss Medical Board kann der «Szene» nur Empfehlungen überreichen. Das sind keine Richtlinien, an die man sich wirklich halten muss. Das liegt auch an der historischen Struktur im gesamten Schweizer Gesundheitswesen.

Was sollte man aufgrund der Erkenntnisse Ihrer Studie tun, um das zu verbessern? Immerhin ist das SMB ja eine Organisation, die versucht, bessere Medizin zu initiieren – mit weniger nutzlosen Therapien.

Entsprechende Überlegungen haben wir natürlich in unserem Bericht auch angestellt und Empfehlungen abgegeben, die darauf abzielen, solchen Fachberichten eine möglichst gute Akzeptanz zu verschaffen.

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Eine Möglichkeit wäre, die oft vergessene Patienten- und Konsumentenseite besser miteinzubeziehen und Berichte breiter zu streuen. Damit dem Patienten beispielsweise bekannt wird, was es eigentlich bedeutet, einen PSA-Test machen zu lassen. Oder welche Therapie-Optionen es gibt, wenn ich mir das vordere Kreuzband reisse – wie die Heilungschancen bei der einen Methode sind und wie bei der anderen. Ich denke, da gibt es noch einiges ungenutztes Potenzial.

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