Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Faltige Haut nach langem Bad Wie Schrumpelfinger Morde aufklären könnten

Ein langes Bad im See oder der Wanne – und dann das: Unsere Finger sehen um Jahrzehnte älter aus, runzlig wie Rosinen. Doch Schrumpelfinger könnten nützlich sein, zum Beispiel in der Forensik.

Anders als die meisten Menschen findet Guy German Falten einfach toll. Oder zumindest sehr spannend. Er forscht an der Universität Binghamton, New York, an weichen Materialien – wie zum Beispiel Haut. Ihn interessiert, wie und warum sich Strukturen und Falten in solchen Materialien bilden. Jetzt hat er vielleicht «Wasserfingerabdrücke» entdeckt.

Konstante Schrumpelmuster

Nach einer öffentlichen Vorlesung fragt ihn ein Kind: «Bilden sich die Falten an den Fingern immer an der gleichen Stelle?» Gefragt, getan. German macht ein Experiment, das zum Nachahmen einlädt: Er lässt einige Personen ein längeres Handbad nehmen, fotografiert die Runzeln und wiederholt das Prozedere einen Tag später.

Die Falten kartiert er danach und analysiert ihre Verteilung und Richtung genau. Und kann so beweisen, was schon mit freiem Auge erkennbar ist: Das Schrumpelmuster einzelner Finger wiederholt sich.

Nahaufnahmen von drei Fingerspitzen mit unterschiedlichen Hautstrukturen.
Legende: Ein Finger einer Versuchsperson vor dem Experiment (Bild A). Der gleiche Finger nach einem 30-minütigen Wasserbad (Bild B). Das Experiment wurde nach 24 Stunden wiederholt, das Faltenmuster bildet sich praktisch gleich aus (Bild C). Guy German, Binghamton University

Das Resultat ergibt Sinn und passt zum Mechanismus, der Schrumpelfinger entstehen lässt. Lange dachten Forschende, es läge an der Art, wie das Wasser in die Hautzellen eindringt und so die Haut aufquellen lässt – der sogenannten Osmose. Doch das stimmt nur zum Teil und erklärt die Falten nicht.

Nerven reagieren auf Wasser

Die Falten entstehen, weil unsere Nerven reagieren. Sind Finger längere Zeit im Wasser, senden sie ein Signal an die kleinen Blutgefässe unter der Haut. Das sorgt dafür, dass sich die Blutgefässe zusammenziehen –  und so entstehen die Falten.

Wozu Schrumpelfinger gut sind

Box aufklappen Box zuklappen

Aus welchem Grund wir Schrumpelfinger bekommen, ist unklar. Vielleicht können wir dank ihnen nasse Gegenstände besser greifen. Weil die Falten wie Kanäle wirken, die wie bei einem Autoreifen das Wasser ableiten und es somit mehr Haftung gibt. Doch Greiftests mit Schrumpelfingern zeigen widersprüchliche Resultate und können diese Theorie nicht zweifelsfrei belegen.

In der Medizin kommt das Phänomen aber schon zur Anwendung. Forschende entdeckten, dass Personen mit abgetrennten Mediannerven keine Schrumpelfinger ausbilden. Diese Entdeckung führte zur Entwicklung des wasserinduzierten Fingerfalten-Tests (FWT). Eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit, die Funktion des autonomen Nervensystems zu überprüfen. Dabei wird beobachtet, wie stark sich die Haut an den Fingerspitzen nach einem Wasserbad kräuselt. Ein erstaunlich aussagekräftiger Indikator für die Nervenaktivität.

«Die kleinen Blutgefässe verändern ihre Position nicht besonders stark – sie bewegen sich nur ein wenig. Also sollten sich die Falten auf die gleiche Weise bilden. Wir haben bewiesen, dass sie es tun», zeigt sich Guy German wenig überrascht und doch auch erfreut.

Gut für die Spurensuche – eventuell sogar bei Mord

Denn für Guy German ist das Ergebnis nicht nur «nice to know». Er sieht auch schon praktische Anwendungen. In der Forensik zum Beispiel, bei der Fingerabdruckanalyse an Tatorten. Oder beim Identifizieren von Leichen, die längere Zeit im Wasser lagen. Germans Vater, ein pensionierter britischer Polizist, war im Laufe seiner Karriere mit genau solchen Herausforderungen konfrontiert.

Der Wasserfingerabdruck

Hat also jeder Mensch einen einzigartigen «Wasserfingerabdruck»? Für den Faltenforscher spricht sehr viel dafür. Doch noch hat er die Einzigartigkeit der Muster – zwischen verschiedenen Personen und unterschiedlichen Fingern – nicht systematisch untersucht. Das wird seine nächste Studie.

German geht sogar noch weiter. Er will versuchen, anhand der Runzelmuster die Blutgefässe in den Händen nicht-invasiv zu kartieren. Dazu plant er als erstes, die Falten mit den darunterliegenden Blutgefässen abzugleichen. Ein Venen-Visualisierungsgerät ist schon bestellt.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 13.10.2025, 06:54 Uhr

Meistgelesene Artikel