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Fremde Verdauung Neue Darmflora dank fremdem Stuhl

«Stuhltransplantation» – Was unappetitlich klingt, könnte für Menschen ohne funktionierende Darmflora dereinst die Erlösung sein. Gereinigter Stuhl eines Spenders wird per Einlauf eingespritzt und bringt die eigene Darmflora wieder in die Gänge.

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«Clostridium difficile» ist ein Bakterium, das schwere Darmentzündungen auslösen kann. Meistens verbreitet sich der an sich harmlose Erreger nach Antibiotika-Kuren, bei denen die Darmflora geschwächt wird. Dann ist er nur noch durch zwei speziell starke Antibiotika bekämpfbar. In schweren Fällen sind sogar selbst diese Reserve-Antibiotika nur vorübergehend wirksam.

Zürcher Mediziner haben nun erstmals eine noch wenig erforschte und auf den ersten Blick reichlich unappetitliche Therapie angewendet: Bei der Stuhltransplantation wird der gereinigte Stuhl eines Spenders der Patientin per Einlauf eingespritzt, um die normale Darmflora wieder herzustellen.

Natürliches Probiotikum

Die Patientin A.W. hatte eine lange Leidensgeschichte und verschiedene Antibiotika-Therapien hinter sich, bevor sie sich als letzte Möglichkeit auf eine Stuhltransplantation einliess. Sie überzeugte die Ärzte am Universitätsspital Zürich davon, die Methode an ihr auszuprobieren. Darmspezialist Gerhard Rogler war zunächst äusserst skeptisch. Doch dann führte er zusammen mit dem Infektiologen Robert Speck und dem Mikrobiologen Michael Hombach die Therapie durch.

Die Grundidee ist bestechend einfach: Bei schweren Fällen von Clostridium-difficile-Infektionen ist die Darmflora der Betroffenen praktisch zerstört. Mit gesundem Stuhl kann auf einen Schlag eine ganze intakte Darmflora in den kranken Darm eingeführt werden.

Im Grunde ist es ein Probiotikum, wie wir es aus Joghurts und Medikamenten kennen. Nur werden statt ein paar Hundert gleich ein paar Milliarden unterschiedlicher «guter» Bakterien verpflanzt. Nebenwirkungen sind keine bekannt.

Naher Verwandter als idealer Spender

Als Stuhlspender kommt grundsätzlich jeder gesunde Mensch in Frage. In der Literatur wird jedoch ein naher Verwandter als idealer Spender empfohlen, weil man davon ausgeht, dass dann eine ähnliche Darmflora vorhanden ist. Allerdings raten die Experten eher davon ab, dass der Spender aus dem gleichen Haushalt kommt: Es besteht die Gefahr, dass auch der Spender Clostridien im Darm hat.

Ein haselnussgrosses Stück Spenderstuhl reicht für die Stuhltransplantation aus. Es wird mit einer Salzwasserlösung verdünnt und im Mixer püriert. Dann durch einen Kaffeefilter – fertig ist das Präparat, das mit einem normalen Einlauf in den Darm der Patientin geleitet wird. Andere Ärztegruppen berichten von alternativen Varianten des Einleitens, mittels Darmsonde zum Beispiel oder über eine Darmspiegelung.

Im Beispiel der ersten Schweizer Patientin funktionierte die Methode hervorragend: Fünf Monate nach der Stuhltransplantation ist sie immer noch beschwerdefrei.

Neue Studien nötig

Bisher gibt es nur wenig Literatur zur Stuhltransplantation. Als Vorreiter gilt der australische Arzt Thomas Borody. Er berichtet von über 1500 Fallbeispielen, bei denen er die Stuhltherapie angewendet hat – mit über 90 Prozent Erfolgsquote.

Klinische Studien zum Thema existieren noch keine. Das wollen die Zürcher Ärzte nun ändern und in einer klinischen Studie die Wirksamkeit der Methode wissenschaftlich belegen. Erst dann dürfen sie weitere Patienten mit der Stuhltransplantation behandeln. Möglicherweise könnte die Anwendung auch auf andere Darmerkrankungen ausgeweitet werden.

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