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Frühe Frühchen (1) Drei Monate vor Termin: Doppelter Frühstart ins Leben

Am 27. November wäre der Geburtstermin angesetzt gewesen, am 29. August kamen Stefanie und Jasmin bereits zur Welt – drei Monate zu früh. «Puls» begleitet die beiden Frühchen auf ihrem Weg ins Leben.

Natürlich kannte Mutter Franziska das Frühgeburts-Risiko, das eine Zwillingsschwangerschaft mit sich bringt. Als es dann aber plötzlich soweit war – mehr als 13 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin – waren die 27-Jährige und ihr Partner Silvan trotzdem überrumpelt. Zwei winzige Mädchen erblickten das Licht der Welt – die erstgeborene Stefanie mit 980 Gramm, ihre Schwester Jasmin mit 1070 Gramm. Für ein erstes Beschnuppern von Eltern und Kindern blieb keine Zeit: Beide Mädchen waren noch nicht bereit für diesen Frühstart ins Leben, beide brauchten Unterstützung beim Atmen und die sichere Umgebung eines Inkubators mit Betreuung durch Fachpersonal. «Beide sind nicht weit weg von der Grenze geboren, wo es kein Überleben mehr gibt», erklärt Neonatologe Hans Ulrich Bucher damals, der als betreuender Arzt am Unispital Zürich die beiden Mädchen direkt nach der Geburt in Empfang nahm.

Rund 6000 der jährlich 80'000 in der Schweiz geborenen Babys kommen zu früh auf die Welt – Tendenz steigend. Die zunehmenden Mehrlingsschwangerschaften und immer ältere Erstgebärende führen dazu. Während sogenannte «späte Frühchen» vier bis sechs Wochen vor Termin zur Welt kommen und mit einem Gewicht von zwei bis zweieinhalb Kilo meist schon fit genug sind, um zwar mit guter Überwachung, aber weitestgehend ohne medizinische Hilfe zurecht zu kommen, haben es «kleine» und «extreme Frühchen» schwerer. Erstere werden vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren und wiegen weniger als 1500 Gramm, Zweitere bringen nicht einmal 1000 Gramm auf die Waage und erblicken schon mehr als zwei Monate vor Termin das Licht der Welt. Ohne medizinische Rundum-Betreuung wären sie verloren. Ihre Haut ist noch zu dünn, Lunge, Niere und Verdauungstrakt funktionieren noch nicht selbständig. Trotz aller Widrigkeiten: Heute überleben zwei von drei extremen Frühchen – wenn auch zum Teil mit Handicaps.

Leicht, aber zäh

Stefanie, obschon die Leichtere von beiden, scheint die Umstellung nach dem Kaiserschnitt etwas leichter zu fallen. «Meine Erfahrung ist, dass bei Zwillingen die Kleineren, Leichteren meistens die Fitteren sind, denen es häufig besser geht. Irgendwie mussten sie sich im Bauch schon mehr wehren, waren dort die Lebhafteren, und wenn sie dann auf die Welt kommen, sind sie schon etwas reifer», sagt Hans Ulrich Bucher.

Dennoch: Beide Mädchen müssen sich ihren Platz auf der Welt erst einmal erkämpfen. «Die schwerere von beiden, Stefanie, hatte einen ganz langsamen Herzschlag, als sie auf die Welt gekommen ist, und hat nicht geatmet. Deshalb mussten wir rasch helfen. Dann hat sie einigermassen geatmet, aber immer wieder Pausen gemacht. Deshalb haben wir sie an Maschinen angeschlossen, die für sie mitatmen», erklärt Hans Ulrich Bucher. Die kleine Jasmin dagegen hat weniger Probleme mit der Atmung, aber: «Auch ihre Organe sind noch nicht so weit, dass sie selber funktionieren können. Die Mutter sollte ihr das eigentlich über die Nabelschnur immer noch abnehmen – das Atmen, Verdauen, auch das Ausscheiden. Und jetzt muss sie plötzlich alles selber machen. Das ist eine Herausforderung.»

Die erste Herausforderung: selbständig atmen

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Mädchen möglichst schnell beginnen, alleine zu atmen – ein Problem, vor dem die Ärzte auch bei den beiden Zwillingsmädchen stehen. Denn muss ein Kind zu lange beatmet werden, kann das wiederum Entzündungen im Atemtrakt hervorrufen – eine schwere Komplikation. Über das Gelingen oder Scheitern der selbständigen Atmung entscheidet die Reife der Lunge, insbesondere der Lungenbläschen. Damit sie Sauerstoff aufnehmen können, müssen sie von einer speziellen Schutzschicht überzogen sein – und die kann bei noch sehr unreifen Frühchen fehlen. Ist das der Fall, kollabieren die Bläschen. Zum Schutz davor erhalten Frühchen über den Beatmungsschlauch Surfactant, die Substanz, die die Lungenbläschen ummantelt. Darüber hinaus bekommt die Mutter vor der Geburt der Kinder Kortikoide gespritzt, um die Lungenreifung voranzutreiben, wenn eine Frühgeburt rechtzeitig vorher absehbar ist. Das ist auch bei Stefanies und Jasmins Mutter Franziska geschehen. Sie war bereits im Spital, als sich eine Frühgeburt abzeichnete. «Die Mutter war schon im Spital – zum Glück, muss man sagen – und so war man schnell parat. Zwei Teams haben sich um je ein Kind gekümmert, das heisst, mindestens drei Leute pro Kind», erzählt Hans Ulrich Bucher.

In den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt werden die beiden Winzlinge gehegt und gepflegt. Ihre Haut wird regelmässig eingeölt, um sie vor einem übermässigen Feuchtigkeitsverlust zu schützen, aber auch, um sie zu wärmen und die Durchblutung anzuregen. Durch Tücher, die sich ihre Mutter zuvor aufgelegt hat, haben sie deren Geruch um sich, kommen aber auch mit ihren Bakterien in Kontakt. «Denn Kinder sind gegen die Bakterien geschützt, die die Mutter auf dem Körper trägt. Die Mutter hat ihnen auch die Antikörper für ihre eigenen Bakterien gegeben. Deshalb versuchen wir alles, dass die ersten Bakterien, die auf die Haut der Kinder kommen, die der Mutter sind. Dann hat es nachher keinen Platz mehr für die bösen Spitalkeime», erklärt Bucher.

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