Nach einer Geburt, sagen Fachleute, sei es fast zwingend: ein ordentliches Beckenbodentraining, damit sich dieser sensible Muskel wieder erholen kann und gestärkt wird. Doch wer hat schon nach einer Geburt Zeit und Muse für einen solchen Kurs? Lieber wird das Thema auf später verschoben und darauf vertraut, dass der Beckenboden schon halten wird.
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Das tut er auch in der Regel, vor allem in jungen Jahren. Doch je älter eine Frau wird, desto mehr leidet sie unter Blasenschwäche. Davon sind nicht nur Frauen betroffen, die geboren haben, diese Schwäche ist in der Anatomie der Frau begründet. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht oder hormonelle Schwankungen wie die Wechseljahre. Männer haben dank ihrem Körperbau kaum Probleme mit dem Beckenboden-Muskel oder meist nur als Folge von Prostataoperationen.
Inkontinenz muss nicht sein
Doch Inkontinenz ist, entgegen der landläufigen Meinung, nicht eine zwangsläufige Erkrankung bei zunehmendem Alter. 1998 stellte die WHO fest, dass Inkontinenz grösstenteils ein vermeid- und zu behandelbares Krankheitsbild ist und sicherlich keine unausweichliche Konsequenz des Alters! Trotzdem ist Inkontinenz eine der häufigsten Beschwerden, alleine in der Schweiz sind schätzungsweise 400 000 betroffen.
Um eine Inkontinenz zu vermeiden gibt es ein probates Mittel: den Beckenboden trainieren. Hilfe bieten hier die landauf, landab angebotenen Beckenboden-Kurse, die bei Beschwerden gerne gebucht werden. Aber präventiv in einen Kurs, wie es am meisten Sinn machen würde? Das schreckt vor allem junge Frauen ab. Kommt hinzu, dass nur ständiges und lebenslanges Üben nützt. Das braucht Disziplin und frisst Zeit.
Liebeskugeln oder Vibrator?
Lustvoller den Beckenboden stärken, das versprechen heute Anbieter von Sextoys. Fast jede zweite Frau soll einen Vibrator besitzen, sagen neuste Zahlen und wer diesen auch für den Beckenboden nutzt, tut ihm Gutes. «Der Beckenboden-Muskel ist meistens zu verspannt, um seine Funktion zu erfüllen», erklärt Physiotherapeutin Barbara Esch vom Spiraldynamik Center Zürich.
Die Aufgabe des Beckenbodens: er hält den Urin zurück und lässt ihn im richtigen Moment los. Ist dieses Gleichgewicht gestört, entsteht eine Blasenschwäche. Mit Sextoys lässt sich Anspannen und Entspannen üben. «Mit einem Vibrator wird die Muskulatur gelockert und die Frau spürt so ihren Beckenboden ganz bewusst», sagt Barbara Esch. Für sie ist der Vibrator ein gutes Hilfsmittel, um den Beckenboden zunächst einmal zu entspannen.
Danach wird die Anspannung geübt mit so genannten Liebeskugeln. Diese werden in die Vagina eingeführt und die Frau lernt, mit dem Beckenboden die Kugeln zu halten. Ein optimales Training um Muskeln aufzubauen. Täglich fünfzehn Minuten Liebeskugeln in der Vagina, entspannte Muskeln vorausgesetzt, sollen bereits wirksam sein.
Körperhaltung wichtig für Beckenboden
Ersetzen Sextoys nun ein Beckenboden-Training? Keinesfalls, sagt Physiotherapeutin Barbara Esch. Aber sie sind eine lustvolle Ergänzung, auch wenn der wissenschaftliche Beweis bis dato fehlt. Genauso effizient kann auch eine Veränderung der Körperhaltung sein. Barbara Esch beobachtet in der Praxis immer wieder Fälle von Frauen, die wegen Rückenproblemen zu ihr kommen und sich dahinter eine Inkontinenz versteckt.
Durch bewusstes Gehen oder Schrittübungen wird die Körperhaltung verändert und die betroffenen Frauen meist von ihrer Inkontinenz befreit. Doch auch hier gilt: regelmässiges Üben und achtsam sein. Nur so lässt sich Inkontinenz langfristig vermeiden.