Wer es einmal erlebt hat, will es immer wieder geniessen: Das «Runner's High», den «Flow» beim Laufen. Sei es bei einem intensiven Lauftraining oder Wettkampf: Plötzlich, meist ganz überraschend und nachdem man meint, man laufe gegen eine Wand, schwappt eine Welle über den Körper, die einem das völlige Glücksgefühl schenkt – ein Rauschzustand, der einen wie auf Wolken trägt.
«Das war bei einem Swiss Alpine Marathon, etwa nach 55 oder 60 Kilometern, als ich über den Panoramatrail gerannt bin – und es ist wie von alleine gegangen», schwärmt die Ausdauersportlerin Jasmine Nunige vom Ausnahmezustand. «Ich konnte es einfach geniessen und alles andere ausblenden, habe weder an den Wettkampf noch an meine Platzierung gedacht und war völlig eins mit mir und dem Moment.» Eine Euphorie, als könnte man ewig laufen – ganz ohne Schmerzen oder Erschöpfung.
Das Läufer-Heroin
Wie kommt es zu diesem rauschartigen Glücksgefühl? Die am häufigsten erwähnte Theorie beschreibt, dass sich die körpereigenen Endorphine, welche bei der Ausdauerbelastung ausgeschüttet werden, an dieselben Andockstellen im Gehirn heften wie zum Beispiel Heroin oder Morphium.
Wissenschaftler der TU München und der Universität Bonn konnten nachweisen, dass diese Endorphine tatsächlich für den Ausnahmezustand der Sportler verantwortlich sind: Im Blut von Sportlern wiesen sie nach einer Ausdauerbelastung erhöhte Mengen an schmerzstillenden und euphorisierenden Endorphinen nach. Und sie fanden heraus, dass das Gehirn während eines «Runner's High» anders funktioniert: Denkaufgaben etwa konnten in solchen Momenten ganz schlecht gelöst werden. Das Hirn war derart beschäftigt mit der Koordination der Motorik, dass alles andere nur noch auf Sparflamme lief.
Den Problemen davongelaufen
Zu den zeitweise «abgeschalteten» Hirnregionen gehört ein Teil der Grosshirnrinde, der für kognitive Prozesse wie Lernen, Problemlösen oder Wahrnehmung von Zeit und Raum zuständig ist. Sind diese Funktionen deaktiviert, fühlt man sich als Läufer frei und unbelastet – alle Probleme sind weggeblasen, Euphorie macht sich breit.
Können auch Breitensportler in diesen «Flow» kommen? Grundsätzlich ja, aber dem gehe hartes Training und viel Überwindung voraus. Und selbst Spitzensportler können den Zustand nicht nach Belieben abrufen. «Wenn er sich einstellt, ist es super, aber es ist nicht selbstverständlich», weiss Jasmin Nunige.