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Impfnebenwirkungen So suchen Forschende nach Spuren seltener Covid-Impfschäden

Schwere Nebenwirkungen kommen auch bei den Corona-Impfungen vor. Weil sie aber so selten sind, sollen Biomarker helfen, sie zu identifizieren.

Es war Harald Prüss schnell klar, dass beim älteren Herrn etwas ernsthaft falsch lief. Der Mann reagierte kaum noch auf Menschen, die mit ihm sprachen. Sein Bewusstsein war getrübt. Der Direktor der Abteilung Experimentelle Neurologie der Berliner Universitätsklinik und sein Team diagnostizierten eine Gehirnentzündung. Bei der Ursachensuche fiel der Verdacht auf die Impfung. Erst zwei Wochen zuvor hatte der Mann sich gegen Covid impfen lassen.

Prüss spricht so einen Verdacht nicht leichtfertig aus: «Die allermeisten Beschwerden, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auftreten, haben wahrscheinlich mit der Impfung überhaupt nichts zu tun.»

Erfolge bei der Suche nach Biomarkern

Im Einzelfall die genaue Ursache zu ermitteln, ist schwierig. Sogenannte Biomarker können helfen. Zwischen 30 und 40 Wissenschaftsteams auf der ganzen Welt suchen danach. Beim Berliner Patienten wurde Prüss’ Team fündig: Im Liquor – dem Nervenwasser, das Gehirn und Rückenmark umgibt – entdeckte es Entzündungszellen und grosse Mengen Antikörper. Normalerweise enthält der Liquor so gut wie keine Zellen.

Antikörper können sowohl gegen das Virus als auch gegen körpereigene Strukturen reagieren und dadurch Schäden verursachen.
Autor: Harald Prüss Forscher

Dass Menschen nach einer Impfung Antikörper bilden, ist gewollt. Dann wirkt die Impfung. Aber: «Antikörper können sowohl gegen das Virus als auch gegen körpereigene Strukturen reagieren und dadurch Schäden verursachen», sagt Harald Prüss. Kreuzreaktion heisst das im Fachjargon. Ein bekanntes Phänomen.

Ausserhalb der Schweiz sorgten im Frühjahr 2021 ungewöhnlich viele Fälle von Hirnvenen-Thrombosen für Schlagzeilen. Geradezu blitzartig gelang es einem Forschungsteam aus Greifswald zu zeigen, dass der Corona-Impfstoff von Astrazeneca diese vakzineinduzierte immunogene Thrombozytopänie (VITT) auslösen kann.

Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, weist auf weitere Erfolge bei der Suche nach Biomarkern hin: Ein Team hat gezeigt, welcher Antikörper hinter den seltenen Fällen stecken dürfte, wenn Menschen nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff eine Herzmuskelentzündung entwickeln. Ein Forschungsteam aus Chicago hat herausgefunden, dass einige Menschen Antikörper herstellen, die sowohl gegen das Virus als auch gegen Angiotensin zwei binden. Dieses körpereigene Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Blutdrucks.

Dauert noch Jahre, bis Tests da sind

Philip Tarr begrüsst die Forschung, warnt aber vor zu grossen Hoffnungen. Der Infektiologieprofessor vom Kantonsspital Baselland erwartet, dass noch mehrere Jahre vergehen, ehe tatsächlich Tests auf dem Markt sind, mit denen einzelne Substanzen im Blut die extrem komplexe Frage nach der Ursache schwerer Beschwerden beantworten können.

Dennoch begrüsst er die Arbeiten zu Biomarkern: «Die ersten wissenschaftlichen Daten sind sehr interessant.» Er erwartet, dass noch mindestens fünf Jahre vergehen, ehe einfache Tests zur Verfügung stehen, mit denen auch Hausärzte und -ärztinnen schnell und sicher Menschen mit Impfkomplikationen identifizieren können.

Verdachtsfälle von Impferscheinungen in der Schweiz

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Die bisherige Bilanz der Schweizer Behörden zur Sicherheit der Impfungen ist eindeutig: Bis Ende November 2022, wurden in der Schweiz knapp 17 Millionen Impfdosen verimpft. Im gleichen Zeitraum hat die Swissmedic gut 16.000 Meldungen über Verdachtsfälle von Impferscheinungen erhalten, wie sie das nennt. Diese können Betroffene selbst eingeben. Gut 6000 hatten die Meldenden dabei als schwer eingestuft. Im gleichen Zeitraum hat das Bundesamt für Gesundheit BAG 245 Gesuche für eine Entschädigung wegen eines Impfschadens registriert. Die grösste Zahl scheitert an formalen Kriterien. Lediglich etwa ein Dutzend klärt das BAG gerade genauer ab, positiv beschieden hat die Behörde noch kein Gesuch.

Selbst wenn Beschwerden direkt nach einer Impfung auftreten, heisst es nicht automatisch, dass die Impfung sie ausgelöst hat. Beispiel Gürtelrose: Lange gab es den Verdacht, die Corona-Impfung könne bei einigen Menschen dieses Wiederaufflammen einer Windpockeninfektion auslösen. Inzwischen haben Forschungsgruppen zeigen können, dass dem nicht so ist.

Wissenschaftsmagazin, 04.02.2023, 12:40 Uhr

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