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ISO-Norm mit Schwächen Männerwerte schaden Frauenknien

Werden Skibindungen bloss nach Standardwerten eingestellt, steigt das Verletzungsrisiko bei Frauen deutlich. Vielen Sportgeschäften ist dies trotz BFU-Rundschreiben nicht bewusst.

Wer 1920 mit Skiern durch den Schnee pflügte, brauchte sich nach einem Sturz keine Gedanken über den Verbleib der Latten zu machen: Die waren bombenfest mit den Schuhen verbunden. Mit entsprechenden Konsequenzen für Knochen und Gelenke.

Erst 1925 wurden in der Schweiz die ersten «Sicherheitsbindungen» konzipiert. Die Anzahl Beinbrüche beim Wintersport sank um Faktor sieben.

Ein wesentlicher Aspekt jeder Sicherheitsbindung: Die individuelle Einstellung, damit sie bei einem Sturz zuverlässig auslöst – und nicht schon vorher. Die Ski-Läden nutzen dafür seit jeher spezielle Maschinen und Tabellen.

Heute werden Sohlenlänge, Gewicht, Körpergrösse, Fahrstil, Alter und Bindungstyp berücksichtigt. Daraus ergibt sich der Z-Wert , der laut ISO-Norm 11088 aussagt, bei welcher Krafteinwirkung der Ski den Schuh automatisch freigibt.

Je höher der Z-Wert, desto später löst die Bindung aus.

Gleich ist nicht identisch

Das Problem: Die ISO-Norm unterscheidet nicht zwischen den Geschlechtern. Aus identischen Parametern resultiert ein identischer Z-Wert. Unfallzahlen weisen aber darauf hin, dass «gleiche» Männer und Frauen eben doch nicht ganz identisch sind – zum Nachteil der Frauen.

Eine Versuchsanlage am Institut für Sportwissenschaft in Innsbruck zeigt dies eindrücklich: Je 15 Männer und Frauen versuchten, eine korrekt eingestellte Skibindung aus eigener Kraft auslösen. «Elf Herren schafften dies mindestens einmal mit jedem Bein – aber nur drei Damen», fasst Sportwissenschaftler Markus Posch das Ergebnis zusammen.

Posch gibt das Resultat zu denken. «Das belegt deutliche geschlechterspezifische Unterschiede, die in der ISO-Norm nicht berücksichtig werden.» Das könne bei einem Sturz zum grossen Problem werden, «denn wir wissen aus zahlreichen belegten Studien, dass die Skibindung bei Frauen dann vermehrt nicht auslöst.»

Auslösepräferenz entschärft Z-Wert

Die Problematik ist auch in der Schweiz nicht unbemerkt geblieben. Für eine geschlechterspezifische Anpassung der ISO-Norm spricht man sich bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU trotzdem nicht aus. Stattdessen wurde letzten Winter ein neues Kriterium für die Bindungs-Einstellung eingeführt: Die Auslösepräferenz .

In drei Stufen kann so gewählt werden, ob die Bindung eher früher, normal oder später auslösen soll.

«Den Damen raten wir eher zur defensiveren Variante», erklärt Othmar Brügger, Leiter Forschung BFU.

Markus Posch von der Uni Innsbruck ist von der Schweizer Variante durchaus angetan. Denn: «Studien in Frankreich zeigen, dass weniger hart eingestellte Bindungen bei Frauen, Kindern und Männern unter 55 Kilo zu weniger Kreuzbandverletzungen führten – ohne dass es zu mehr Fehlauslösungen gekommen wäre.»

Eine Studie belegt auch bereits den Nutzen der Auslösepräferenz: 26 Prozent weniger Kreuzbandschäden sprechen klar dafür, es bei der nächsten Einstellung der Bindung lieber etwas lockerer angehen zu lassen.

Und wie Recherchen der «Puls»-Redaktion gezeigt haben, lohnt es sich, das Sportgeschäft darauf anzusprechen. Denn trotz BFU-Rundschreiben war den wenigsten die Thematik bewusst.

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