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Demenz – Es kann auch Jüngere treffen
Aus Puls vom 04.03.2019.
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Jung und dement Ein Mensch verblasst

Hört man Demenz, denkt man ans Alter. Doch die Krankheit trifft auch jüngere Menschen.

Gianluca De Febis ist 47 Jahre alt – und schwer dement. Seine Tage verbringt er am liebsten im Bett. Unterhaltungen kann man fast keine mehr mit ihm führen. De Febis leidet an einer besonders aggressiven Form der Demenz – der frontotemporalen Demenz, kurz FTD.

Die frontotemporale Demenz

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Bei einer FTD sind der Frontal- und Temporallappen beeinträchtigt. Der Frontallappen gilt als Sitz der individuellen Persönlichkeit und des Sozialverhaltens und er erfüllt motorische Funktionen. Der Temporallappen spielt eine Rolle für das Gedächtnis und die Erinnerungen. Nehmen die Nervenzellen in diesen Arealen des Gehirns Schaden, verändert sich dadurch die Persönlichkeit, das Verhalten und die motorische Fähigkeit der betroffenen Person.

Eine Heilung gibt es nicht. Es handelt sich um eine sogenannte irreversible Demenz. Es können nur die Symptome der Krankheit behandelt werden.

Vor 4 Jahren trainierte Gianluca De Febis noch die Frauen des FC Bethlehem. Damals hätte niemand gedacht, dass der Trainer bald auf Vollzeitpflege angewiesen sein würde.

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Nur gerade 4 Jahre ist es her, seit Gianluca de Febis die Frauen des FC Bethlehem trainierte.
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Seine Diagnose hat er im Jahr 2017 erhalten. Heute ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass selbst zum Trinken die Anweisungen ganz klar sein müssen: «Aufsitzen und dann erst trinken. Aufsitzen. Erst die Beine da runter. Genau, jetzt trinken», weist ihn eine Pflegerin an.

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Gianluca De Febis braucht bei jeder noch so alltäglichen Handlung genauste Anweisungen.
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Ein unerkanntes Leiden

In der Schweiz leben schätzungsweise 151'000 demenzkranke Menschen. Rund 4'500 davon sind junge Betroffene, die ihre Diagnose zwischen 30 und unter 65 bekommen.

Wenn sich die ersten Zeichen einer FTD ankündigen, wird die Krankheit oft nicht erkannt oder für etwas anderes gehalten. So wird sie beispielsweise gerne mit einem Burnout, einer Depression oder Zwangsstörung verwechselt.

Die vielen Gesichter der Demenz

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Unter dem Begriff Demenz werden über 100 Krankheiten zusammengefasst, welche besonders die geistigen Fähigkeiten, wie das Denken, das Gedächtnis und die Sprache betreffen.

Anhand ihrer möglichen Ursachen werden die verschiedenen Krankheiten in zwei Gruppen aufgeteilt.

Primäre Demenz:

  • Neurodegenerative Demenz: In diese Gruppe gehören beispielsweise Alzheimer, Levy-Body-Demenz, Parkinson-Demenz sowie auch die frontotemporale Demenz. Bei diesen Formen der Demenz sind die Nervenzellen im Gehirn direkt betroffen. Forschende gehen davon aus, dass Eiweissablagerungen in den Nervenzellen zu deren Absterben und somit Verlust von Gehirnfunktionen führt.
  • Vaskuläre Demenz: Dazu gehören Multiinfarktdemenz, Demenz nach Schlaganfällen oder Hirnblutungen. Es sind also Formen der Demenz, welche aufgrund von Gefässproblemen im Hirn zustandekommen.

Sekundäre Demenz:

  • Diese Arten von Demenz können durch viele verschiedene Ursachen zustande kommen. Beispiele sind die Unterversorgung des Gehirns mit Nährstoffen oder Flüssigkeit. Aber auch Vergiftungen oder andauernde Entzündungen schädigen das Gehirn und können dann in einem zweiten Schritt, darum sekundär, zu einer Demenz führen.

Denn Betroffene verhalten sich auffällig, werden apathisch oder vielfach auch motorisch unruhig. Ihr Verhalten wird repetitiv bis stur, vor allem aber fallen sie durch den Verlust ihrer herkömmlichen Persönlichkeit auf. Sie werden enthemmt, übergriffig, essen ohne Mass oder wirken kühl und unberührt. Es fehlt ihnen an Empathie.

Für die Angehörigen und Freunde der Betroffenen ist dies besonders schwer mitanzusehen. Gianmarco, Gianluca De Febis' Sohn, vermisst seinen Vater sehr.

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«Es ist schlimm zuzuschauen, wie diese Krankheit ihn auffrisst»
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Vor etwa 3 Jahren stellte Nathalie, Gianlucas Frau, die ersten Veränderungen fest. Ihr Mann zog sich zurück. Half nicht mehr mit zu Hause und verbrachte plötzlich viel Zeit in der Badewanne, wo er alte Lieder sang. Solche Verhaltensveränderungen sind typisch für Menschen mit einer FTD.

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«Er hat mir nicht mehr geholfen und hat sich sozial zurückgezogen.»
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Auch Pflegeheime haben Mühe mit dem Umgang

Zunehmend wurde Gianluca De Febis' Verhalten übergriffig – die Belastung für die Familie immer grösser. Für Menschen mit FTD eine Pflegelösung zu finden, ist selten einfach. Aufgrund ihres schwierigen Umgangs ist das Pflegepersonal schnell überfordert. Schliesslich nahm man ihn in der Akutstation der Universitären Psychiatrischen Diensten Bern auf.

Später, wenn die Krankheit fortgeschritten ist, wird der Umgang mit den Patienten leichter. Dann nimmt die Demenz so stark zu, dass sie sich kaum mehr von einem Alzheimerpatienten in fortgeschrittenem Stadium unterscheiden.

«Es fehlt etwas»

Einmal in der Woche freut sich Gianluca De Febis auf das Essen mit der Familie. Der Besuch beginnt auch heute noch jedes Mal mit einem Bad. Dabei muss ihm seine Frau alles Schritt für Schritt erklären.

Doch dieser Aufwand ist nicht, was sie am meisten bedrückt. Es ist der Verlust eines geliebten Menschen, ihres Partners, mit dem sie 27 Jahre lang ein Team war. Der nun innert weniger Jahren verschwindet.

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Der schleichende Verlust ihres Mannes ist für Nathalie De Febis nur schwer zu ertragen: «Wir waren 27 Jahre lang ein Team – haben uns geliebt.»
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Noch kann Gianluca De Febis sagen, was er gerne essen oder welchen Apéro er gerne trinken möchte. Und auch wenn er sich nicht mehr differenziert auszudrücken vermag, realisiert er offensichtlich, dass sein Leben ein ganz anderes geworden ist. Auf die Frage, ob es ihm fehlt, Fussballtrainer zu sein, fasst er seine Lebenssituation schmerzlich passend zusammen: «Es fehlt etwas – es ist wie eine Lücke, wo was fehlt».

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Gianluca De Febis beschreibt, wie es ihm in seiner Situation ergeht.
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