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K.-o. durch K.-o.-Tropfen

Unbemerkt in Getränke gemischt sind K.-o.-Tropfen besonders heimtückisch: Sie machen die Opfer willenlos und erinnerungsunfähig. Nicht nur eine Überdosis ist gefährlich – das Opfer kann auch ersticken, wenn es bewusstlos erbrechen muss.

Die Zuger Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin hat sie mit ihren Aussagen wieder ins Gedächtnis gerufen, seitdem sind K.-o.-Tropfen wieder in aller Munde. Doch können die Tropfen tatsächlich so willenlos machen, wie ihnen nachgesagt wird?

Zunächst einmal: K.-o.-Tropfen wirken von Mensch zu Mensch anders. Die körperliche Verfassung spielt eine Rolle, die Grösse, das Gewicht, wie lange die letzte Mahlzeit zurückliegt oder ob zusätzlich noch Alkohol, Medikamente oder Drogen im Spiel sind. Je nach Dosis reicht die Wirkung dann von Entspannung über sexuelle Enthemmung bis hin zu tiefer Bewusstlosigkeit, die auch lebensbedrohlich sein kann.

K.-o.-Tropfen sind «flüssiges Ecstasy»

K.-o.-Tropfen tragen auch den Namen «Liquid Ecstasy». Dahinter verbergen sich meist diese beiden Substanzen:

  • GHB = Gamma-Hydroxybuttersäure und
  • GBL = Gamma-Butyrolacton

GHB und GBL sind seit 2002 dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt. Deren Handel und Konsum ist somit verboten. Ausnahmen sind der Einsatz in Medizin und Industrie. Vor allem GBL kann literweise im Ausland gekauft werden, da es als Reinigungsmittel eingesetzt wird. GHB wurde als Narkosemittel entwickelt und wird heute medizinisch kaum noch verwendet.

Erste Symptome: Schwindel und Übelkeit

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Die Wirkung der Tropfen setzt ungefähr nach zehn bis 20 Minuten ein. Den Betroffenen wird meist kurz nach der Einnahme ganz plötzlich übel und schwindlig. Oft schreiben sie dann die Wirkung dem Alkohol zu, auch wenn sie bis dahin nicht übermässig viel getrunken haben.

Zunächst können die Substanzen auch euphorisierend und enthemmend wirken. Betroffene berichten, dass sie ungebremst geflirtet oder massiv auf ihre Begleitpersonen eingeredet haben. Sie können eine Zeitlang noch normal reden und sich bewegen. Für Aussenstehende erscheint alles relativ unauffällig. Die Betroffenen wirken höchstens etwas angetrunken oder teilnahmslos. Rückwirkend können die Betroffenen sich jedoch an diesen Wachzustand nicht mehr erinnern.

Körpereigener Hirnbotenstoff

GBL ist eine Vorstufe von GHB und wird im Körper zu GHB umgewandelt. Diese Substanz produziert der Körper selber. Sie wirkt im Hirn als Neurotransmitter und regelt unter anderem die Schlafzustände: Bei einer entsprechend hohen Dosis, fallen die Opfer in einen tiefen Schlaf oder werden sogar bewusstlos.

Gerade letzteres birgt eine grosse Gefahr: Kommt es zu Todesopfern, liegt das meist daran, dass Erbrochenes die Atemwege der Betäubten blockiert hat. Viel seltener ist der Tod durch eine Überdosis. In den wenigen Fällen waren dann meist noch andere Drogen im Spiel.

Kater der besonderen Art

Beim Aufwachen fühlen sich die Betroffenen oft extrem «verkatert», völlig matt und stehen immer noch neben sich. In fast allen Fällen haben sie später keine konkreten Erinnerungen mehr, viele berichten von einem Blackout oder totalen Filmriss. In Fachkreisen spricht man von «anterograder Amnesie»: Die Substanzen bewirken, dass die Erinnerung rückwirkend nur ganz kurze Zeit funktioniert. Zu einem späteren Zeitpunkt sind die zurückliegenden Ereignisse dann meist nicht mehr abrufbar. Daher wissen zum Beispiel viele Betroffene nicht mehr, wie sie nach Hause gekommen sind.

Viele spüren lediglich, dass etwas geschehen ist, sie haben Schmerzen und Verletzungen, die sie sich nicht erklären können. Die Ungewissheit darüber, was genau passiert ist und die Gedächtnislücken machen vielen sehr zu schaffen.

Was tun im Verdachtsfall

GHB hat eine sehr kurze Halbwertszeit. Das heisst, schon nach einer halben Stunde ist die Hälfte der Substanz im Körper abgebaut. Darum ist deren Nachweis nur eine kurze Zeit möglich: im Blut nur bis zu sechs Stunden, im Urin bis zwölf Stunden, bei höherer Dosis eventuell länger. Als Opfer sollte man sich darum sofort in ärztliche Behandlung begeben, Urin und Blutbeweise sichern. Alternativ kann man den Urin schon zu Hause in einem sauberen Becher sammeln. Dieser sollte gekühlt zur Untersuchung mitgebracht werden. Aber: Proben, die man ohne ärztliche Aufsicht gesammelt hat, haben eventuell vor Gericht keine Beweiskraft.

Bei Verdacht auf einen sexuellen Übergriff ist es wichtig, dass alle Beweise sehr schnell gesichert werden. Hier ist eine ärztliche Untersuchung wichtig. Davor sollte man sich nicht waschen, damit keine Beweise vernichtet werden. Das Gleiche gilt für die Kleidung.

Nach wenigen Tagen sind die Nebenwirkungen von Liquid Ecstasy in der Regel abgeklungen. Viel schlimmer, quälend und zermürbend für die Opfer ist aber das Ungewisse. Manche Betroffene haben Schlafstörungen oder Albträume. Frauenberatungsstellen können weiterhelfen.

Schutzmassnahmen

  • Getränke selber von der Bar holen
  • Getränke nie unbeaufsichtigt stehen lassen
  • Alkoholkonsum im Griff haben, damit man auch das eigene Glas im Griff hat
  • Bei Verdacht sofort Hilfe holen, sich nicht von der Gruppe entfernen

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