Das Bild ist man gewohnt: Über die Flure eilen die Ärzte in wehenden weissen Arztkitteln – und mit ihnen auf ihren Ärmeln die Krankheitserreger. Sie sind der Grund, warum die deutschen Asklepios-Kliniken nun auf kurze Ärmel umstellen.
«In der Schweiz gibt es keine offizielle Empfehlungen – meine wäre aber, dass die Unterarme frei von Bekleidung sind», sagt Matthias Schlegel, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene und Leiter der Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen. Denn kontaminiert sei eigentlich alles, so Matthias Schlegel. Deswegen gibt es für ihn nur eins: «Die effektivste Massnahme ist die Händedesinfektion. Bis jetzt konnte noch niemand richtig zeigen, dass kontaminierte Kleidung tatsächlich zu relevanten Übertragungen geführt hätte.»
Auf Intensivstationen Standard
Die Hände bieten da viel mehr Übertragungspotenzial, denn mit ihnen fasst man sich ständig ins Gesicht, an den Mund, greift an Türgriffe, Lichtschalter, Telefone oder die Computertastatur. «Es ist eigentlich erstaunlich, dass man bis jetzt Übertragungen durch kontaminierte Berufskleidung oder Kravatten oder natürlich Stethoskope nicht wirklich nachweisen konnte», sagt Matthias Schlegel.
Trotzdem: Kurze Ärmel sind auf der Intensivstation praktisch Standard. Da spiele es auch keine Rolle, ob ein Arzt behaarte Unterarme hätte. Viel wichtiger sei eben die Handhygiene vor und nach dem Patientenkontakt. «Ich selber trage einen Schurz und darunter meine Privatkleidung. Wenn ich zum Patienten gehe, schiebe ich die Ärmel immer ganz nach oben und achte darauf, die Handdesinfektion korrekt durchzuführen», so Matthias Schlegel.
Noch keine Empfehlung in der Schweiz
Die Schweizerische Gesellschaft für Spitalhygiene gibt keine Empfehlungen heraus, auf Kurzarm-Bekleidung umzustellen. Das sei auch eine Kostenfrage. Hier werde dann eher ein falsches Signal gesetzt und die viel wichtigere Handdesinfektion vernachlässigt, wenn auf kurze Ärmel umgestellt würde, befürchtet Matthias Schlegel.
Eine nicht repräsentative Umfrage der deutschen ÄrzteZeitung unter ihren Lesern zeigt: Nur ein Viertel findet, der weisse Kittel gehöre zum Arzt wie sein Stethoskop. Aber auch hier gibt es den Placebo-Effekt: Einem weiss bekittelten Arzt wird mehr vertraut.