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Keine komplexen Baucheingriffe mehr an kleinen Spitälern

Ab 2014 dürfen nur noch bestimmte Schweizer Spitäler seltene Operationen am Bauch durchführen. Das hat ein Fachgremium der Kantone beschlossen. Denn Spitäler, die die komplexen Eingriffe weniger als 20 Mal im Jahr machen, sind für den Patienten ein Risiko.

Nach einer Bauspeicheldrüsen-Operation stirbt in der Schweiz jeder zwölfte Patient. Bei jedem zweiten kommt es zu Komplikationen. Ein risikoreicher Eingriff für die Ärzte, die sogenannten Viszeralchirurgen.

Nur ein interdisziplinäres und hoch spezialisiertes Team von Fachärzten und Pflegenden, welche die Eingriffe mehr als 20 Mal pro Jahr machen, seien dazu kompetent genug – meint ein zwölfköpfiges Fachgremium der Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK. Darum verbietet die Expertengruppe ab 2014 rund 40 von 60 Schweizer Spitälern die Eingriffe an Bauchspeicheldrüse, Leber, Speiseröhre und Mastdarm.

Eine Konzentration auf wenige Spitäler führe zu einer Verbesserung der Qualität und senke das Risiko für die Patienten.

Fallzahlen als Kriterium

Umstritten ist, dass sich das Gremium an den Fallzahlen gestützt von ausländischen Studien aus Holland, England und Skandinavien orientiert. Dort ist eine Mindest-Fallzahl von 20 Operationen pro Jahr zwingend.

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Holland erfasst nicht nur die Todesfälle, die sich während der Operation oder noch während des Spitalaufenthalts ereignen, sondern auch die Todesfälle bis zu einem Monat nach Spitalaustritt. Mit der Einführung einer Fallzahl von 20 seien in Holland nur noch halb so viele Patienten bei der Entfernung einer Bauchspeicheldrüse gestorben als noch vor fünf Jahren. Verlässliche Zahlen über die Qualität der viszeralchirurgischen Eingriffe in der Schweiz sind jedoch nicht vorhanden, da es bis heute keine Vorschriften gab, sie zu erheben. «Deshalb kann auch nicht bewiesen werden, dass kleine Spitäler mit weniger Fällen qualitativ schlechter arbeiten», meint Markus Hauser, Direktor des Kantonsspitals Glarus.

Glarus ist eines der 40 Spitäler, welches den Eingriff nächstes Jahr nicht mehr machen darf. «Durch den Entscheid wandern für unser Spital wichtige Chirurgen in die städtischen Kompetenz-Zentren ab», sagt Hauser. Auch für das Pflegepersonal werde der Arbeitsort Glarus mehr und mehr uninteressant. «Wir bekommen Rekrutierungsprobleme beim Personal. Das schwächt die regionale Gesundheitsversorgung. Solche Entscheide bedrohen die Existenz von Regionalspitälern.» Dem widerspricht Peter Suter, Präsident des Fachorgans HSM. «Viszeralchirurgische Eingriffe sind ein Prozent der Operationen in einem Spital. Die anderen 99 Prozent können die Regional-Kliniken nach wie vor selber machen, und darin sind sie auch gut.»

Gnadenfrist für einzelne Spitäler

Die Expertengruppe der GDK führte eine Übergangsfrist ein. Während zweier Jahre werden auch jene Spitäler berücksichtigt, die mindestens zehn Eingriffe vorweisen können. Sie bekommen einen provisorischen Leistungsauftrag für zwei Jahre. Während dieser Zeit können sie ihre Fallzahlen erhöhen. Ab 2016 soll dann die Schwelle bei 25 Eingriffen liegen. «Das führt zu einem falschen Leistungsanreiz», sagt Markus Furrer, Chefarzt Chirurgie des Kantonsspitals Chur. «Um auf die nötigen Fallzahlen zu kommen, könnten Patienten operiert werden, bei denen es gar nicht nötig wäre.»

Das Kantonsspital Chur ist auf der Liste mit den Spitälern, die für zwei Jahre provisorisch weiteroperieren dürfen. «Gerade das Kantonsspital Chur mit 600 schweren Notfällen pro Jahr braucht eine Viszeralchirurgie. Chur als eines der zwölf Trauma-Zentren wäre ohne das Spezialgebiet nicht denkbar», ergänzt Chefchirurg Markus Furrer.

Planung der hochspezialisierten Medizin in Frage gestellt

Die Kantone wurden beauftragt, für den Bereich der hochspezialisierten Medizin eine gemeinsame gesamtschweizerische Planung vorzunehmen. Somit gibt es anstelle von 26 kantonalen Planungen nur noch eine einzige. Nun hat das Fachgremium bezüglich Viszeralchirurgie für die grossen Zentren, vor allem Universitätsspitäler, und gegen die Regionalspitäler entschieden.

«Damit haben sie den Bogen überspannt», urteilt Arnold Bachmann, Direktor des Kantonsspitals Chur. «Wir haben ernsthafte Bedenken, dass die gesundheitliche Versorgung in der Peripherie verschlechtert wird, dass die Weiterbildung unserer Ärzte gefährdet ist und die Wirtschaftlichkeit schlicht und einfach nicht gegeben ist.»

Mit dieser Meinung ist der Churer Spitaldirektor nicht allein. 35 Beschwerden sind gegen den Entscheid des Fachorgans der GDK beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen. Bis diese bearbeitet sind, dürfen die Chirurgen in den regionalen Spitälern an den heiklen Bauchorganen weiteroperieren.

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