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Sportler zieht sich mit letzter Kraft an einer Stange hoch.
Legende: Kraft und Ausdauer lassen sich durch Training steigern – bis zu einem gewissen Grad. Colourbox

Kraft und Ausdauer Wieso Muskeln ermüden, ist immer noch ein Rätsel

Wieso geht Kraft schneller verloren, als sie antrainert wird? Bringt es etwas, an seine Belastungsgrenze zu gehen? Und was hat es mit Muskelkater und Seitenstechen auf sich? «Puls» im Gespräch mit Sportphysiologin Christina Spengler

SRF: Der Muskelaufbau braucht viel Zeit. Trainiert man weniger, geht die Kraft aber rasch wieder verloren. Weshalb?

Christina Spengler: Die Verbesserung der Kraft bei Krafttraining kommt nicht nur durch den Muskelaufbau zustande, sondern auch durch eine verbesserte Ansteuerung der Muskeln durch die Nerven. Zu Beginn des Trainings ist der Kraftzuwachs mehr auf diese verbesserte Ansteuerung zurückzuführen als auf die Muskelmasse. Hört man mit dem Training auf, geht dieser Anteil an der Kraftproduktion auch entsprechend rasch wieder verloren, während sich die Muskelmasse etwas weniger rasch zurückbildet.

Welcher Messwert zeigt am besten, wie fit jemand ist?

Häufig wird die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) bei höchster Leistung als Mass für die Fitness einer Person herangezogen. Dieser Wert unterschiedet sicher Untrainierte von gut Trainierten. Allerdings können zwei Personen mit gleichem VO2max-Wert unterschiedlich «fit» sein. Denn entscheidend ist auch, wie hoch die submaximale Leistung ist, welche zum Beispiel in einer halben Stunde erzielt werden kann.

Stimmt es, dass sich Kinder weniger rasch von einer sportlichen Anstrengung erholen als Erwachsene?

Im Gegenteil. Studien zeigen, dass sich Kinder eher schneller erholen als Erwachsene, vor allem von hoch-intensiven Leistungen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass ein Vergleich zwischen Kindern und Erwachsenen eher schwierig ist, da Kinder absolut gesehen weniger grosse Leistungen erbringen können – was zur rascheren Erholung beitragen kann.

Bei vielen Leistungstests soll man an die eigene Belastungsgrenze gehen. Ist das nicht gefährlich? Oder ist es vielleicht sogar empfehlenswert, auch beim normalen Training ab und zu das absolute Maximum aus sich herauszuholen?

Zur Person

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Porträtaufnahme von Prof. Spengler

Prof. Christina Spengler lehrt und forscht am Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Zürich.

Gesunde, sportliche Personen sollten sich ruhig auch beim normalen Training ab und zu bis zum Maximum belasten, wenn sie ihre Leistungsfähigkeit weiter steigern möchten. Um einen positiven Effekt für die Gesundheit zu erzielen, ist eine maximale Belastung aber nicht nötig.

Um die maximale Leistungsfähigkeit möglichst genau zu bestimmen, muss man an die Leistungsgrenze gehen. Dies ist für gesunde, trainierte Personen nicht gefährlich, auch wenn das Herz sehr rasch schlägt und man ausser Atem kommt. Patienten hingegen werden bei maximalen Tests sehr genau überwacht, damit der Test beendet werden kann, bevor es gefährlich wird. Oder es werden submaximale Tests angewendet, mit denen sich die maximale Leistungsfähigkeit abschätzen lässt.

Warum sind Frauen im Sport weniger stark als Männer?

Es gibt unterschiedliche Faktoren, die je nach Sportart mehr oder weniger dazu beitragen, dass die Spitzenleistungen von Frauen unter denen von Männern liegt. Spielt Kraft eine Rolle, sind die Männer im Vorteil, da sie während der Pubertät mehr Muskelmasse aufbauen konnten. Im Ausdauersport ist die Frau zum Beispiel aufgrund des kleineren Herzens und der dadurch kleiner Pumpleistung benachteiligt. Beim Hochsprung wiederum spielt auch die geringere Körpergrösse eine Rolle.

Welchen Leistungstest empfehlen Sie einem gesunden 50-Jährigen, der seine Ausdauer-Fitness testen möchte?

Wenn er seine Fitness mit möglichst vielen Leuten vergleichen möchte, so ist ein Test mit regelmässig ansteigender Leistung geeignet. Beim sogenannten Stufentest können die maximale Leistung, die maximale Herzfrequenz und auch die maximale Sauerstoffaufnahme bestimmt werden. Dabei lässt sich auch die sogenannte «anaerobe Schwelle» bestimmen – die höchstmögliche Leistung, bei welcher Laktatproduktion und Laktatabbau noch im Gleichgewicht stehen.

Ein 50-Jähriger, der zuvor keinen Sport betrieben hat, sollte diesen Test unter ärztlicher Aufsicht durchführen oder zuvor einen Arzt konsultieren, um sein kardiovaskuläres Risiko bei dieser Maximalbelastung abzuschätzen.

Muss man Leistungstests selbst bezahlen? Wie hoch sind die Kosten ungefähr?

Gesunde müssen Leistungstests selbst bezahlen. Der Test wird von der Krankenkasse nur übernommen, wenn er einer medizinischen Abklärung dient. Je nach der Art der Messungen, die zusätzlich durchgeführt werden (Herzfrequenz, EKG, Atmung- und Sauerstoffverbrauch, Blutlaktat etc.) und der eingeschlossenen Auswertung und Beratung kostet der Test zwischen ca. 50 und 350 Franken.

Warum werden Muskeln müde? Weiss man das tatsächlich noch nicht so recht?

Da ist vieles noch nicht vollständig geklärt. Was man mit ziemlicher Sicherheit weiss, ist, dass Laktat nicht das Stoffwechselprodukt ist, welches für die Muskelermüdung verantwortlich ist. Vielmehr sind daran andere Stoffwechselprodukte und Elektrolyt-Verschiebungen in- und ausserhalb der Muskelzellen beteiligt.

Betrachten wir den Muskel nicht isoliert, müssen wir berücksichtigen, dass auch Prozesse im Hirn und zwischen Hirn und Muskel die Kontraktionskraft eines Muskels reduzieren können und zur wahrgenommenen «Muskelermüdung» beitragen.

Wie ist das bei Seitenstechen und Muskelkater? Was sind die Ursachen?

Zwei interessante Phänomene, die im Laufe der letzten Jahrzehnte verschiedene Erklärungen erlebt haben!

Seitenstechen ist harmlos aber ziemlich behindernd. Meine favorisierte Erklärung der aktuell diskutierten möglichen Ursachen ist ein Zwerchfellkrampf. Eine Dehnung dieses Muskels, wie wir dies bei anderen Muskelkrämpfen auch tun, bringt oft Abhilfe. Dazu muss man versuchen, die ganze Luft aus der Lunge zu pressen, dann möglichst lange die Luft anzuhalten und gleichzeitig die Bauchmuskeln anzuspannen oder mit beiden Händen auf den Unterbauch zu drücken.

Muskelkater, entsteht zwei bis drei Tage nach einer intensiven Belastung eines Muskels, häufiger bei ungewohnten Belastungen und wenn der Muskel während der Kontraktion gedehnt wird. Beispielsweise bei der Oberschenkelmuskulatur während des Bergabgehens oder bei der Wadenmuskulatur beim Seilspringen. Viele Theorien wurden schon aufgestellt, die Laktat-Theorie konnte mit gutem Gewissen verworfen werden. Vermutlich ist eine Abfolge verschiedener Prozesse mitverantwortlich, ganz geklärt ist dies im Einzelnen aber noch nicht. Relativ allgemein formuliert lösen winzige strukturelle Schäden innerhalb der Muskelfasern unter anderem eine lokale Entzündungsreaktion mit vielfältigen Folgen aus, was als Schmerz wahrgenommen wird.

Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet, der Sportphysiologie?

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Die Funktion des menschlichen Körpers, speziell unter körperlicher Belastung, wo die einzelnen Systeme wie Atmung, Kreislauf oder Muskulatur an ihre Grenzen stossen. Dies muss nicht nur bei Spitzenleistungen von Athleten der Fall sein, sondern spielt auch bei Patienten eine Rolle, wo plötzlich ein ganz anderes Organsystem leistungslimitierend wird.

Schön ist, dass wir die neusten sportphysiologischen Erkenntnisse aus der Forschung direkt umsetzen können, sei es zur Leistungsmaximierung von Athleten, in der Rehabilitation von Patienten oder zur Erhaltung einer guten Lebensqualität bis ins hohe Alter.

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