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Die Stimme: Der neue Fingerabdruck
Aus Einstein vom 20.02.2020.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 33 Minuten 59 Sekunden.
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Krankheit und KI Was die Stimme über unsere Gesundheit ausplaudert

Forschende bringen Computern bei, Krankheiten an der menschlichen Stimme zu erkennen. Das klappt zum Teil schon heute.

Tönt das nach Parkinson oder Autismus? Nach Müdigkeit oder einer Erkältung? Schon länger versuchen Forschende, mit Hilfe von schlauen Computer-Algorithmen bestimmte Dinge aus der Sprache herauszulesen.

«Da schneiden die Maschinen oft bereits ähnlich gut ab, wie wenn eine einzelne Arztperson eine Diagnose stellt», sagt Björn Schuller. Der deutsche Informatiker und Sprachspezialist ist der Erfinder und Mit-Organisator eines Wettbewerbs, der im Rahmen der wichtigsten Wissenschaftskonferenz zum Thema Sprache ausgeschrieben wird.

Unscharfe Aufnahme eines verwackelten Mundes.
Legende: Die Stimme hat viel zu sagen – auch dem Arzt. Getty Images / Halfdark

Zum Beispiel Parkinson

Um solche Diagnosen stellen zu können, müssen die Computerprogramme zuerst optimiert und trainiert werden. Das machen die Wettbewerbsteilnehmer mit Hilfe von genau charakterisierten Sprachaufnahmen. Dafür verwenden sie Sätze und Wörtern von Menschen, die sich selbst als müde bezeichnen. Oder die eben mit einer Krankheit wie Parkinson diagnostiziert sind.

Die so trainierten Computer sollen dann aus Sprachaufnahmen von unbekannten Personen die gesuchten Diagnosen mit einer möglichst hohen Trefferquote heraushören können.

Parkinson zum Beispiel greift die Muskeln an. Darunter auch jene, die im Mund und in der Kehle für das Artikulieren zuständig sind. Deshalb zeigen erkrankte Personen sehr oft früh Mühe, in ihrem gewohnten Tempo zu artikulieren. Der Sprech-Rhythmus kann sich entsprechend verändern, oder auch die Energie, mit welcher die Laute produziert werden.

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Hilfe bei Parkinson
Aus GESUNDHEITHEUTE vom 07.09.2019.
abspielen. Laufzeit 22 Minuten 57 Sekunden.

Verletzungen von Körper und Psyche

«Autodegenerative Krankheiten wie Parkinson oder Autismus sind darum besonders interessant für Sprach-Analysen», sagt Björn Schuller. «Daneben sind es aber auch psychische Erkrankungen, die wir mit Hilfe von Computern aus der Stimme herauslesen wollen.»

Da treffen die trainierten Modelle jedoch auf dieselben Schwierigkeiten, wie es auch Ärztinnen und Psychologen tun: Psychische Krankheiten sind oft nicht einfach zu diagnostizieren. Bei einigen Krankheitsbildern wie beispielsweise dem Burn-Out ist sich die Fachwelt nicht einmal einig, ob es tatsächlich existiert.

Umstrittene Diagnosen

Entsprechend schwierig ist es, gutes Trainingsmaterial für die Computermodelle zu bekommen – also Sprachaufnahmen von Erkrankten. Ohne solches Trainingsmaterial und genügend grosse Rechenleistung funktionieren die Computermodelle nicht.

Dem Arztpersonal eindeutig unterlegen sind die Computermodelle bei noch unbekannten Krankheitsbildern. «Arztpersonen sind unglaublich gut darin, neue Krankheiten oder Symptome zu lernen», sagt Björn Schuller.

«Nehmen wir das Beispiel des neuartigen Coronavirus: Nach einigen Fällen erkennt ein Arzt bereits, ob eine Person die entsprechenden Symptome hat. Damit unsere Computermodelle dieselbe Diagnose stellen könnten, bräuchten wir zuerst eine grosse Menge an entsprechenden Sprachaufnahmen.»

Boom dank Smartphones

Seit Ende der 1990er-Jahre erlebt die Sprach-Analyse mit Hilfe von schlauen Computerprogrammen einen grossen Schub. Zum einen hat die Rechenstärke von Computern in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen.

Zum anderen stehen den Forschenden so viele Sprachaufnahmen wie nie zuvor zur Verfügung. «Da sind wir an den Hochschulen recht gut aufgestellt. Für Forschungszwecke spenden uns die Leute gern ihre Daten – etwa Video- oder Sprachaufnahmen ihrer erkrankten Angehörigen.»

Hürden auf dem Weg in die Praxis

Was aber die Rechenstärke angeht, spielen die Hochschulen eher die Rolle des David. Den Goliath geben die grossen Tech-Unternehmen, die sich ebenfalls brennend dafür interessieren, was sie aus den Stimmen ihrer Kundschaft herauslesen können.

Die grosse Skepsis gegenüber diesen Unternehmen ist auch mit ein Grund, warum die Diagnose von Krankheiten aus der Stimme noch nicht in der Praxis angekommen ist. Zuerst müssen datenrechtliche Aspekte geklärt und der Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden. Gerade, wenn es um Krankheiten geht.

Sendung: Einstein, SRF 1, 20.2.2020, 22:25 Uhr

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