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Kurz – kürzer – kurzsichtig

Kurzsichtigkeit nimmt weltweit zu. Vor allem in Asien sind bereits über 80 Prozent der Jugendlichen betroffen. In der Schweiz fehlen Statistiken, doch gehen die Fachleute auch hier von einem starken Anstieg seit den 1970er-Jahren aus. Hauptgrund: stundenlanges Nah-Sehen bei schlechtem Licht.

Kurzsichtigkeit (Myopie) bedeutet, dass unsere Augen nur noch im Nahbereich scharf sehen. Sie entsteht, wenn das Auge zu sehr in die Länge wächst und damit der Brennpunkt nicht mehr auf der Netzhaut, sondern davor liegt.

Dioptrienwert im Minus

Optimalerweise liegt der Dioptrienwert bei 0. Das heisst, man sieht genauso gut in die Nähe wie in die Ferne.

  • Kommt ein «+» hinzu, ist man weitsichtig, das Nahsehen ist eingeschränkt.
  • Umgekehrt ist bei einem «-» die Fernsicht schlecht. Bei -2 Dioptrien sieht man nur noch auf einen halben Meter scharf.

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Tageslicht hilft bei Kurzsichtigkeit
aus Wissenschaftsmagazin vom 19.09.2015. Bild: Flickr/Caitlin Regan
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Kurzsichtigkeit ist in der Regel die Folge einer Verlängerung des Augapfels: Pro Millimeter Längenwachstum wird das Auge um knapp drei Dioptrien kurzsichtiger. Normal ist beim menschlichen Auge eine Weitsichtigkeit im Kindesalter, die sich später neutralisiert, da das Auge noch bis zum 30. Lebensjahr wachsen kann.

Die Kurzsichtigkeit stellt in den industrialisierten Ländern die wohl häufigste «Abnormität» in der Entwicklung des Auges dar. Bisher ging man davon aus, dass etwa 30 Prozent der Bevölkerung kurzsichtig sind. Doch neuere Studien – meist aus Asien – weisen auf eine viel höhere Zahl Betroffener hin, vor allem unter den Jungen. Gerade im asiatischen Raum machen die Forscher dafür einen klaren Grund aus: Den Schuldrill, der dazu führt, dass die Kinder täglich stundenlag in speziellen Tutorials und Coachings Hausaufgaben machen.

In China, Taiwan oder Südkorea sind bereits rund 80 Prozent der Schulabgänger kurzsichtig – von denen gut 20 Prozent sogar stark kurzsichtig sind mit einer Dipoptrie von -6 oder tiefer. Kurzsichtigkeit lässt sich zwar korrigieren. Ab etwa 6 Dioptrien steigt aber das Risiko einer Netzhautablösung und eines grünen Stars, des sogenannten Glaukoms.

Umwelteinflüsse spielen wichtige Rolle

Für die Entstehung von Kurzsichtigkeit spielt die genetische Prädisposition eine Rolle. Manche Personen werden nie kurzsichtig, obwohl sie allen bekannten Umweltreizen ausgesetzt sind, die Myopie auslösen können. Auf der anderen Seite zeigen Untersuchungen, dass Kurzsichtigkeit ohne spezifische Umwelteinflüsse bei vielen Personen wahrscheinlich nicht entstanden wäre. In diesem Fall spricht man von «Schulmyopie». Sie breitet sich weltweit am stärksten aus.

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Kurzsichtige Jugend
Aus Puls vom 02.03.2015.
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Grund sind veränderte Lebensgewohnheiten, vor allem die Zunahme des In-die-Nähe-Schauens. Stundenlanges Lesen und Computerarbeit mit geringem Augenabstand sind Gift für das Sehorgan. Das gilt umso mehr, wenn es an Tageslicht fehlt. Tageslicht fördert die Ausschüttung von Dopamin in der Netzhaut, welches wiederum das Augenwachstum beeinflusst, vermuten die Forscher.

Ebenfalls sind sie der Meinung, dass bei stundenlangem Nah-Sehen die Akkomodation – der Krümmungsmechanismus der Augenlinse, übermässig beansprucht wird. Es fällt schwer, auch in der Ferne wieder scharf zu sehen, und man wird im wahrsten Sinne des Wortes «kurzsichtig».

Dieser Effekt wurde in mehreren Studien belegt, die Messungen im Tagesverlauf durchgeführt haben. Demnach ist es durchaus möglich, nach mehrstündiger Naharbeit bis zu einer Dioptrie kurzsichtiger zu sein.

Eltern vererben die Kurzsichtigkeit

Eine Untersuchung aus Australien belegt, dass die Wahrscheinlichkeit für Kurzsichtigkeit etwa siebenmal höher ist, wenn beide Eltern kurzsichtig sind.

Kurzsichtigkeit entsteht typischerweise in der Jugend. Mädchen sind häufiger betroffen, und es besteht ein ausgeprägter Einfluss des Umfeldes: Kinder, die auf dem Land aufwachsen, sehen besser als Stadtkinder.

Weltweit gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, der Myopisierung entgegen zu wirken: Die Forschungen reichen von der Genetik über die Pharmakologie bis hin zu speziellen Brillengläsern und Kontaktlinsen. Von letzteren sind erste bereits auf dem Markt, die das Voranschreiten der Kurzsichtigkeit verlangsamen sollen.

Vorbeugen ist besser als heilen

Auch moderne Bildschirme und ergonomische Arbeitsplätze lindern Beschwerden und beugen einer zunehmenden Kurzsichtigkeit nicht vor. Wichtig ist es deshalb, genügend Abstand zum Monitor zu halten – mindestens 40 Zentimeter – und Abwechslung in den Arbeitsalltag zu bringen.

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Expertentipp für kurzsichtige Kinder
Aus Puls vom 02.03.2015.
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Wer regelmässig den Blick in die Ferne, auf den Wandkalender oder aus dem Fenster schweifen lässt, beugt vor. Wichtig sind dabei abwechslungsreiche Lichtbedingungen und Entfernungen. Achten sollte man auch auf genügend Tageslicht. Bewusstes Blinzeln und kurzzeitiges Schliessen der Augen hilft gegen Austrocknung und Rötung der Augen.

Neuste Studien aus Asien zeigen auf: Wenn Kinder oft im Freien spielen, verlangsamt sich das Wachstum des Augapfels. Jede zusätzliche Stunde draussen reduziert das Risiko für Kurzsichtigkeit um zwei Prozent. Welche Rolle hierbei das Tageslicht genau spielt, haben die Forscher jedoch noch nicht herausgefunden. Sie empfehlen weitere Studien.

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