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Kurzsichtigkeit mit Folgen Unsere Augen werden immer schlechter

Weltweit sind immer mehr Menschen kurzsichtig. In Asien sprechen Fachleute längst von einer Epidemie.

Kurzsichtigkeit ist alles andere als harmlos. In der Jugend ist sie vor allem mühsam und ein schulisches und ästhetisches Problem, im Erwachsenenalter kann Kurzsichtigkeit aber zum medizinischen Problem werden.

Denn Kurzsichtigkeit ist ein Risikofaktor für eine ganze Reihe von Augenerkrankungen. An Veränderungen an der Makula und am Grauen und Grünen Star leiden Kurzsichtige häufiger. Vor allem aber ist die Gefahr einer Netzhautablösung besonders gross.

Über den Daumen gepeilt, behandelt Mathias Abegg, Augenarzt am Inselspital Bern, ein bis sogar mehrmals pro Woche einen Patienten mit einer Netzhautablösung. Er stellt selbst einen Myopie-Trend fest, auch wenn nicht so extrem wie in asiatischen Ländern. Aber eine beginnende Kurzsichtigkeit bei Kindern sieht auch er.

Epidemie in Asien

Daten aus dem Ausland lassen aufhorchen: Augenärzte in asiatischen Ländern schlugen 2012 Alarm. Innert weniger Jahre gab es mehr kurzsichtige Schüler als normalsichtige – vor allem in China, Singapur und Taiwan. Bei 80 bis 90 Prozent der Jugendlichen wurde eine Kurzsichtigkeit, Myopie genannt, festgestellt. Die Rede ist gar von einer Epidemie.

Daraufhin haben europäische Gesundheitsinstitute 2015 in einer Übersichtsstudie Daten von über 60'000 Personen analysiert. Die Zahlen sind in Europa zwar nicht gleich dramatisch – sie sind aber zunehmend und mit bis zu 50 Prozent auch auf hohem Niveau. Deshalb erklärte die WHO die Kurzsichtigkeit zum weltweiten, ernstzunehmenden Problem.

Niemand fühlt sich verantwortlich

Konkrete Zahlen aus der Schweiz gibt es nicht. Dass die Kurzsichtigkeit ein weitreichendes Gesundheitsproblem ist, findet auch die Fachgesellschaft für Augenheilkunde. Diese hat eine klare Vorstellung davon, wer eine solche Datenerhebung durchführen sollte und schreibt: «Die korrekte und systematische Erfassung von Daten zur Kurzsichtigkeit liegt in der Verantwortung der nationalen und kantonalen Gesundheitsbehörden.»

Die Sendung «Puls» bittet deshalb das Bundesamt für Gesundheit um eine Stellungnahme. Doch dort fühlt man sich nicht verantwortlich und begründet: «Das BAG beschäftigt sich mit denjenigen Krankheiten, wofür es einen Auftrag hat. Dazu gehören etwa übertragbare Krankheiten oder seltene Krankheiten. Kurzsichtigkeit ist deshalb für uns kein Thema.» Hierzulande will offenbar niemand aktiv werden.

Ohne konkrete Zahlen tappen die Spezialisten in der Schweiz im Dunkeln. Bedauerlich findet Mathias Abegg: «Falls die Kurzsichtigkeit tatsächlich steigt in der Schweiz, könnte man aktiver in die Prävention oder auch in die Therapie investieren.»

Handeln solange das Auge wächst

Kurzsichtigkeit beginnt fast immer im Kindes- oder Jugendalter, wenn das Auge noch im Wachstum ist. Einmal ausgewachsen, bringen auch Massnahmen nichts mehr. Deshalb empfiehlt Michael Bärtschi, Optiker und Optometrist, den Betroffenen selbst aktiv zu werden und die Kinder zur Untersuchung zu schicken.

Was ausserdem präventiv möglich ist: Tageslicht. Denn Myopie-Forscher haben festgestellt, dass Tageslicht-Mangel und zu langes Fokussieren in der Nähe das Längenwachstum vom Auge beeinflussen und damit Kurzsichtigkeit fördern.

Asien hat in der Zwischenzeit gehandelt: Die Lehrer schicken die Schüler über die Mittagszeit ins Freie. Teilweise finden Schulstunden sogar draussen statt.

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