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Lärm Das Ohr erträgt einiges – bis es zu spät ist

Unser Ohr ist duldsam: Es verzeiht uns ein lautes Konzert oder das Rasenmähen ohne Hörschutz. Für dauerhaften Lärm ist es jedoch nicht gemacht. Einmal angegriffen, erholt es sich von den Schäden nicht wieder.

Das Ohr ist ein Wunderwerk der Natur. Es ist so kompliziert aufgebaut, dass alle Versuche, seine Funktion technisch komplett nachzuempfinden, bislang gescheitert sind. Das liegt daran, dass das Gehör eine enorme Bandbreite von Tönen und Lautstärken aus allen möglichen Richtungen erfassen kann.

Schon die Ohrmuschel ist perfekt darauf ausgerichtet, Schall einzufangen. Schall entsteht durch Moleküle: Eine Geräuschquelle setzt sie in Bewegung, ein Molekül stösst das andere an, und diese Bewegung setzt sich wellenförmig fort. Diese Wellen fängt die Ohrmuschel ein und lotst sie durch den Gehörgang bis zum Trommelfell. Das Trommelfell ist etwa erbsengross und obwohl es nur 0.1 Millimeter dick ist ein Wunder an Flexibilität und Stabilität: Es hält so viel Druck stand wie ein Fahrradschlauch.

Eine Frage der Schwingung

Grafik eines Ohrs
Legende: Das Ohr ist ein komplexes Organ SRF

Durch die Schallwellen gerät das Trommelfell in Schwingung. Hinter dem Trommelfell liegt die Paukenhöhle mit den Gehörknöchelchen, den kleinsten Knochen des Körpers: Hammer, Amboss und Steigbügel übertragen die Schwingungen weiter auf das sogenannte «ovale Fenster». Das ist viel kleiner als das Trommelfell – auch das ein Kniff der Natur: Die Signale werden auf einen kleinen Raum gebündelt, das Signal so also verstärkt. Dahinter liegen das flüssigkeitsgefüllte Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Haarzellen.

Die Haarzellen nehmen die Schallreize auf, indem sie in der entsprechenden Frequenz mitschwingen. Sie übersetzen diese Signale für die Nerven in elektrische Impulse, die sie über den Hörnerv ans Gehirn weiterleiten. Die Haarzellen sind besonders spezialisiert auf leise Töne und jeweils auf bestimmte Schallfrequenzen. Weiter vorne sitzen eher die für hohe, weiter hinten die für tiefere Frequenzen. Durch Lärm leiden deswegen vor allem die Haarzellen für hohe Frequenzen – ein Grund, warum die Fähigkeit, sehr hohe Töne zu hören, im Alter und mit zunehmender Schädigung des Gehörs als erstes abnimmt.

Stress pur fürs Ohr

Eine hohe Lautstärke wirkt geradezu gewalttätig auf die Haarzellen ein: Die Schallwellen treffen mit einer solchen Wucht aufs Trommelfell und schliesslich auch auf die Haarzellen, dass diese wie Bäume im Sturm regelrecht umgeknickt werden.

Sind die Haarzellen einmal beschädigt, erholen sie sich nicht wieder. Das heisst: Jeder Mensch kommt mit einer festen Ausstattung an Haarzellen zur Welt, mit der er bis an sein Lebensende auskommen muss.

Die Beschallung summiert sich dabei: Wöchentlich sind für das Ohr ca. 380 Dezibel (dB) zumutbar. So ist beispielsweise für einen Arbeiter, der seine Ohren acht Stunden täglich ohne Lärmschutz mehr als 85 dB aussetzt (etwa der Lärm durch einen lauten Rasenmäher, lautes Schreien oder nah vorbeifahrende Autos) wahrscheinlich, dass er einmal schwerhörig oder sogar taub wird.

In einer Disco ist das «Lärmguthaben» für die Woche bereits nach drei Stunden verbraucht.

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