Zum Inhalt springen

Laute Operationssäle, schlechtere Ergebnisse

Eine deutsche Studie zeigt, dass ein geringerer Lärmpegel im Operationssaal die Konzentration der Chirurgen erhöht und so die Komplikationsrate sinkt.

Der Chirurg beugt sich über den Patienten und führt konzentriert das Skalpell, die Schwester reicht ihm wortlos die Instrumente, es ist absolut still im OP, man würde eine Stecknadel fallen hören: So kennen medizinische Laien Operationen aus dem Fernsehen. Doch die Realität ist anders. In Operationssälen geht es oft richtig laut zu. Die Kinderchirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) untersuchten jetzt in einer Studie, welche Auswirkungen Lärm auf die Arbeitsfähigkeit von Operateuren hat und ob der Lärmpegel gesenkt werden kann. Ergebnis: «Wir konnten die Lautstärke um die Hälfte verringern. Die Chirurgen fühlten sich in dem ruhigeren Arbeitsumfeld wohler und konnten konzentrierter arbeiten. Darüber hinaus kam es bei den Patienten der Stichprobe zu deutlich weniger postoperativen Komplikationen», sagt Carsten Engelmann, Oberarzt in der MHH-Klinik für Kinderchirurgie und Leiter der Studie. Die Untersuchung wurde in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Annals of Surgery» veröffentlicht.

Mehr zum Thema

Es gibt zahlreiche Lärmquellen in einem Operationssaal: Chirurgen, Anästhesisten, OP-Schwestern, Gastärzte und Medizinstudenten unterhalten sich, medizinische Geräte produzieren Geräusche, aus dem Radio kommt Musik, Pieper und Handys klingeln. «Der durchschnittliche Lärmpegel im OP liegt bei 63 Dezibel», erklärt Carsten Engelmann. Das ist etwa so laut wie ein Motor-Rasenmäher in zehn Metern Entfernung. «Extrem wird es, wenn beispielsweise OP-Bestecke in eine Metallschüssel geworfen werden oder wenn ein Hocker umfällt. Dann kommt es zu kurzzeitigen Spitzen von bis zu 100 Dezibel», erläutert der Chirurg. «Die Geräuschempfindlichkeit ist bei jedem Menschen anders. Aber grundsätzlich steigt mit dem Lärmpegel auch die Stressanfälligkeit», ergänzt Doktorand Jan Philipp Neis, der an der Erstellung der Studie beteiligt war.

Strikte Verhaltensregeln für das Personal

Ein halbes Jahr lang beschäftigten sich Engelmann und seine Kollegen intensiv mit dem Thema. Grundlage der Studie waren mehr als 150 operative Eingriffe bei Kindern und Jugendlichen, die länger als 20 Minuten dauerten. Benno Ure, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie, begleitete die Untersuchung als Senior-Autor. «Zunächst ermittelten wir den Status Quo im Operationssaal. Dann schauten wir uns an, welche Ergebnisse ein systematisches Geräuschsenkungsprogramm bringt. Dieses Programm bestand einerseits aus technischen Maßnahmen, andererseits aus spezifischen, verbindlichen Verhaltensregeln für das Personal», erläutert Ure. Große optische Geräusch-Warner wurden in den Blickachsen des Operationssaales aufgehängt, das OP-Telefon auf das optische Signal umgestellt und die Lautstärke medizinischer Geräte reduziert. Für das Personal galt: Privatunterhaltungen waren verboten. Die Türen wurden geschlossen gehalten, Mobiltelefone waren im OP tabu und Gespräche wurden nur geführt, wenn sie etwas mit dem aktuellen Fall zu tun hatten.

Durch das Geräuschsenkungsprogramm konnte der Lärmpegel um 50 Prozent gesenkt werden. Neben verschiedenen anderen Werten wurden in der Studie auch die Aussagen der Chirurgen zu ihrem persönlichen Befinden berücksichtigt. Diese sind eindeutig: In leiserer Umgebung sind die Chirurgen entspannter und können konzentrierter arbeiten. Völlig überrascht hat die Untersucher, dass dies offenbar direkte Auswirkungen auf die Patienten hat: «Die Komplikationsrate hat sich um die Hälfte reduziert. Es gab beispielsweise weniger Nachblutungen, Infektionen und Nahtinsuffizienzen», erklärt Engelmann. Den Patienten blieben dadurch lange Krankenhausaufenthalte erspart, Kosten für eventuell teure Folgebehandlungen konnten reduziert werden. Auf dem diesjährigen europäischen Kinderchirurgenkongress in Leipzig bekam das MHH-Team von vielen Kollegen positive Rückmeldungen auf die Studienergebnisse. «Offenbar stört der Lärm im OP viele Chirurgen, nur wird das leider zu selten ausgesprochen», bedauert Engelmann.

Meistgelesene Artikel