Ob Herzschrittmacher, Krampfadern, Mandeln, Leistenbruch: Patienten sollen nach bestimmten Operationen nicht mehr im Spital liegen. Verschiedene Kantone beginnen, ihre Spitäler zu ambulanten Eingriffen zu verpflichten. Das Bundesamt für Gesundheit arbeitet an einer verbindlichen Liste für die ganze Schweiz.
Trend zu ambulanten Eingriffen
Ambulant liegt im Trend: Nach einer Operation gehen immer mehr Patienten gleich wieder nach Hause. Das belegen steigende Kosten im ambulanten Spitalbereich.
Doch in der Schweiz sei das ambulante Potenzial längst nicht ausgeschöpft. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine Studie der PwC-Unternehmensberater. Die Studie legt eine Liste mit 13 Eingriffen vor, die in der Regel ambulant erfolgen könnten und sollten. Dadurch liessen sich hohe Kosten sparen, betonen die Autoren. Sie rechnen vor: Eine stationäre Behandlung koste bei diesen 13 Eingriffen im Durchschnitt mehr als das Zweifache einer ambulanten Behandlung. Einzelne Kantone setzen die PwC-Vorschläge nun in die Praxis um.
Kantone machen Druck: Luzern und Zürich
- Als erster Kanton führt Luzern eine Liste für ambulante Eingriffe ein. Ab 1. Juli gilt für 13 Behandlungen: Sie müssen ambulant erfolgen. Für einen stationären Aufenthalt braucht es eine Ausnahmebewilligung, sonst übernimmt der Kanton seinen Kostenanteil nicht.
- Die Luzerner 13er-Liste (Änderungen aufgrund laufender Verhandlungen noch möglich): Behandlungen via Herzkatheter, Karpaltunnelsyndrom, Operation grauer Star, Mandeloperation, Herzschrittmacher, Krampfaderoperation, Eingriffe an Blutgefässen, Hämorrhoiden, Leistenbruchoperation, Eingriffe am Gebärmutterhals, Kniespiegelung, Eingriffe am Kniemeniskus, Nierensteinzertrümmerung.
- Im Kanton Zürich läuft eine Gesetzes-Revision, die in eine ähnliche Richtung weist. Auch Zürich will mit einer Liste ambulante Eingriffe vorschreiben, Ausnahmefälle müssen schriftlich dokumentiert sein. Der Kostenanteil des Kantons soll abgelehnt werden.
- Auf Bundesebene arbeitet das Bundesamt für Gesundheit an einer ähnlichen Liste. Bei bestimmten Eingriffen sollen die Krankenkassen ihren Kostenanteil für stationäre Aufenthalte nicht mehr übernehmen müssen.
Kritik an der verordneten Ambulant-Strategie
Verschiedene Akteure üben Kritik an einer behördlich verordneten Ambulant-Strategie.
- Kritik der Ärzte: Sie warnen davor, dass die Sicherheit der Patienten leiden könnte, z. B. wenn nach ambulanten Mandeloperationen Nachblutungen auftreten. Weiter verlangt die Ärzteschaft, dass stationäre und ambulante Behandlungen künftig auf gleiche Art und in gleicher Höhe vergütet werden.
- Kritik aus Sicht der Krankenkassen: Krankenkassen verlangen, dass sich die Kantone künftig an den Kosten für ambulante Behandlungen beteiligen. Wenn immer mehr ambulant behandelt werde, treibe das die Prämien in die Höhe.
Patientenperspektive
- Das Positive vorneweg: Patienten werden in Zukunft seltener «gegen ihren Willen», ohne zwingende medizinische oder soziale Notwendigkeit, ins Spitalbett bleiben müssen.
- Andererseits müssen sich Patienten und Ärzte künftig vermehrt aktiv um einen stationären Aufenthalt bemühen, wenn das nötig erscheint.
- Wer Pech hat, kämpft nach einer ambulanten Behandlung zuhause mit Komplikationen und anderen Beeinträchtigungen.
- Vielleicht bezahlen Patienten am Ende zudem noch mehr Krankenkassenprämien, weil die Kantone ambulante Spitalleistungen nicht mitfinanzieren. Dass Steuergelder gespart werden, tröstet Vermögende mehr als weniger Begüterte.