Jeder zweite Zahnarzt, der in einer grossen Schweizer Stadt praktiziert, hat Mühe, seine Praxis rentabel zu halten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO, die kürzlich veröffentlicht wurde. Ein Grund: Die Zuwanderung ausländischer Zahnärzte verstärkt die Konkurrenz.
Die Zahlen sprechen für sich: Allein seit Inkrafttreten der bilateralen Verträge 2002 haben über 4600 Zahnärzte ihre ausländischen Diplome anerkennen lassen. Das müssen sie, um in der Schweiz praktizieren zu dürfen. Im letzten Jahr waren es 459 neu anerkannte Diplome, verglichen mit 130 eidgenössischen Studienabgängern mit neuem zahnärztlichem Zeugnis.
«Die Zuwanderung sorgt in manchen Regionen für eine wahre Zahnarzt-Schwemme», sagt Beat Wäckerle, Präsident der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO. Besonders angespannt sei die Lage in Städten wie Basel, Zürich oder Lausanne, wo sich ausländische Zahnärzte bevorzugt niederlassen. Fast die Hälfte der dortigen Praxen bliebe während mindestens einem Tag in der Woche leer. In ländlichen Regionen dagegen sei die Lage entspannter.
Gute Zähne, weniger Verdienst
Auf die Kasse schlägt Zahnärzten auch die immer bessere Zahngesundheit ihrer Klienten. Viele Menschen sind heute kariesfrei und müssen sich deshalb seltener behandeln lassen. «Eine Rolle spielt auch das Verhalten der Migranten – diese gehen häufig nicht in der Schweiz zum Zahnarzt, sondern während ihrer Ferien in der Heimat. Die Folge davon ist, dass der finanzielle Druck in vielen Zahnarztpraxen steigt», so Beat Wäckerle.
Die Frage steht im Raum, ob das die Hemmschwelle für Zahnärzte senken könnte, teure und manchmal auch unnötige Behandlungen anzubieten – nicht unbedingt im Sinne einer objektiven Beratung des Patienten. SSO-Präsident Beat Wäckerle möchte dies auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren.
Wie gross der Druck ist, zeigt die Studie der SSO, welche auf einer Umfrage beruht aus dem Jahr 2015 unter 1385 SSO-Zahnärzten. 29 Prozent von ihnen beurteilten im Jahr 2015 die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Praxis eher negativ.
Qualitätsunterschiede hingenommen
Die Zuwanderung bereitet nicht nur wirtschaftliche Probleme. Nicht immer sind die Qualitätsstandards der ausländischen Zahnärzte gleich hoch. Denn sie können selbst dann in der Schweiz praktizieren, wenn die Anforderungen zum Erlangen ihres Diploms deutlich unter den schweizerischen Ansprüchen lagen.
So können in einem EU- oder Efta-Land 5000 Ausbildungsstunden ausreichend für ein zahnärztliches Diplom sein, während es in der Schweiz 9400 Stunden sind. «In der Schweiz haben wir ein hohes Ausbildungsniveau. Andere Länder können da oft nicht mithalten. So kann man in Rumänien teilweise sein Zahnarzt-Diplom ohne jede Erfahrung am Patienten machen», bemängelt Beat Wäckerle. Auch ihre Tarife unterscheiden sich von den Schweizer Tarifen, teils sind die Hygiene-, Personal- oder Strahlenschutz-Standards ungenügend.
Kommt es zu Problemen, stünden die Patienten dann schnell alleine da. «Viele der ausländischen Zahnärzte kommen und gehen. Nachdem sie eine Zeit in der Schweiz praktiziert haben, verlassen sie das Land häufig wieder», so Beat Wäckerle. Doch Besserung ist in Sicht: «Zur Zeit ist ein europäisches Register im Aufbau, in dem alle Zahnärzte erfasst sind, so dass man ihre Qualifikationen kennt und auch weiss, wo sie arbeiten.»