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Mit Infrarot den Kiefer schneller richten

Es schmerzt und dauert oft sehr lange. Zahnspangen sind auch heute noch sehr unangenehm – besonders für Erwachsene. Nun bieten Kieferorthopäden ihren Patienten eine neue Therapie mit Infrarotlicht an, die beide Probleme lösen soll. Wissenschaftliche Belege fehlen allerdings noch.

Schon seit Jahren hoffen Zahnärzte auf eine Methode, die Zahnfehlstellungen schneller und schmerzloser korrigiert. Bisherige Therapien wie Operieren oder Vibrieren setzten sich nie gegen die gängigen Spangentechniken durch. Indem man mit Drähten oder Schienen die Zähne an die richtige Position schiebt, lässt sich eine Korrektur vergleichsweise sehr schonend durchführen. Dafür dauert diese Methode aber meist über ein Jahr, kostet viel und verursacht beim Nachspannen Schmerzen.

Schneller und mit weniger Schmerzen

Genau hier setzt die neue Therapie mit Infrarotlicht an: «Orthopulse» soll mittels gängigem Rotlicht den Verschiebungsprozess beschleunigen und weniger Schmerzen verursachen.

Die Spange wird dabei aber nicht überflüssig. Der einzige Unterschied: Die Drähte lassen sich schneller Nachspannen, und Schienen lassen sich früher auswechseln, verspricht der Hersteller. Das kleine Gerät muss zu Hause während der ganzen Behandlungszeit täglich fünf Minuten im Oberkiefer und fünf Minuten im Unterkiefer getragen werden.

Wie genau die Beschleunigung funktioniert, ist noch nicht ganz geklärt. Forscher gehen davon aus, dass durch das rote Licht der Knochen und das Gewebe auf der Zellebene aktiviert werden. Das regt den Knochenumbau an, womit sich die Zähne schneller und schmerzloser an ihre Endposition verschieben lassen.

Die Rückmeldungen der Patienten sind mehrheitlich positiv. Viele berichten über weniger Schmerzen. Und auch die Zahnärzte registrieren kürzere Abstände zwischen den Konsultationen – also eine schnellere Behandlungszeit. Die Angaben dazu variieren aber. Während der Hersteller auf seiner Website bis zu 50 Prozent Beschleunigung verspricht, registrieren die Kieferorthopäden auch schwächere Beschleunigungsprozesse. Allerdings sehen viele Kieferorthopäden grosses Potential in der neuen Therapie.

Nutzen noch nicht wirklich belegt

Das Problem nur: Die Wirksamkeit von «Orthopulse» lässt sich noch kaum wissenschaftlich belegen. Bisher existieren nur einige wenige vom Hersteller finanzierte Studien.

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Das Informationsportal «Medizin-Transparent» von Cochrane Österreich bemängelt ebenfalls, dass Forscher meist nur über eine kurze Zeitspanne die Behandlung untersucht haben. Auch seien viele Studien nur ganz allgemein zu Rotlichttherapien zitiert oder hätten nur mit Zellkulturen oder Tieren stattgefunden. Erstaunlich dabei ist, dass trotz der dünnen wissenschaftlichen Evidenz schon viele Kieferorthopäden die Therapie anbieten oder am Menschen testen.

Eine Erklärung dafür ist, dass bis heute noch keine Nebenwirkungen dokumentiert sind und «Orthopulse» von den Gesundheitsbehörden zugelassen ist. Allerdings gilt auch hier, noch sehr vorsichtig zu sein. Denn es ist unklar, ob die beschleunigte Verschiebung der Zähne positive oder negative Effekte auf die Wurzelresorption hat.

Dieses Problem kennt man schon, wenn normal mit einer Zahnspange oder Zahnschiene korrigiert wird. Das heisst, dass die Zahnwurzel durch die Krafteinwirkung unter Umständen verkürzt wird.

Wie sich die Zahnwurzeln bei einer beschleunigten Behandlung verhalten, bleibt offen. Gut möglich aber, dass die Hoffnungen der Zahnärzte, ihren Patienten kürzere und angenehmere Zahnstellungskorrekturen anbieten zu können, schon bald Realität werden. Dafür braucht es aber noch deutlich bessere wissenschaftliche Resultate.

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