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Neue Grenzwerte Der Blutdruck darf etwas weiter steigen

Hypertonie gilt als einer der wichtigsten Risikofaktoren für Hirnschlag oder Herzinfarkt. Wird der Grenzwert von 140/90 überschritten, wird medikamentös gesenkt. Nun korrigieren die neuen US-Leitlinien den Grenzwert für gewisse Patienten nach oben, und auch hierzulande gelten neue Empfehlungen.

Bluthochdruck ist ein «leiser Killer». Wer ihn hat, spürt nichts davon – bis sich Jahre später die Folgen einstellen: Herzinfarkt, Hirnschlag, Herzschwäche, Nierenschäden. Ein Blutdruck im Normalbereich um 120/80 schont Herz und Gefässe, wer den Grenzwert von 140/90 überschreitet, wird zur Korrektur mit blutdrucksenkenden Medikamenten behandelt.

Nur ein Risikofaktor von vielen

So weit, so einleuchtend. Nun korrigieren aber die neuen US-Leitlinien die Bluthochdruck-Grenzwerte für Patienten über 60 und gewisse Risikogruppen nach oben – zum ersten Mal seit 50 Jahren. Kardiologe Paul Erne von der Schweizerischen Hypertonie-Gesellschaft (SHG) bestätigt, dass auch hierzulande ein Umdenken stattfindet: «Das ist vor allem eine Anpassung an die Realität. Denn oft wurde gerade bei älteren Patienten das Ziel von 140/90 trotz Behandlung nicht erreicht.»

Zudem sei bei Betagten oder Risikopatienten wie Diabetikern auch nicht ausreichend belegt, dass sie von einer medikamentösen Blutdrucksenkung automatisch profitieren, indem sich zum Beispiel das Risiko für Folgeerkrankungen reduziert. «Der Blutdruck sollte deshalb nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern als ein Risikofaktor von vielen. Da findet ein Umdenken statt.»

Messergebnisse häufig verfälscht

Das Umdenken äussert sich in den neuen Empfehlungen der SHG, die unter anderem die 24-Stunden-Messung als Standard bei der Langzeittherapie definiert. Damit lassen sich Phänomene abfangen, die für verfälschte Messergebnisse und falsche Kategorisierungen sorgen: den Weisskittelbluthochdruck (Blutdruck steigt während der Messung in der Praxis unnatürlich an), den maskierten Bluthochdruck (normaler Blutdruck bei der Messung in der Arztpraxis, sonst konstant zu hoch) sowie Patienten, die bei der Selbstmessung auf- oder abrunden, weil sie für sich ein gewisses Ziel im Kopf haben.

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Konkret liefert die 24-Stunden-Messung viele Messungen und Mittelwerte sowie Informationen über den Druckunterschied während des Tages und der Nacht. Ausserdem zeigt sie auch, ob die verschriebene Therapie auch wirklich während der gewünschten Stunden den Druck senkt.

Der Blutdruck setzt sich aus zwei Werten zusammen. Wenn sich das Herz zusammenzieht und Blut in die Gefässe pumpt, baut sich in den Gefässen Druck auf. Dies ist der «obere Blutdruck» (systolischer Druck). Weitet sich das Herz aus und füllt es sich wieder mit Blut herrscht noch immer ein Druck: der «untere Blutdruck» (diastolischer Druck). Ein optimaler Blutdruck liegt bei 120/80. Als Grenzwerte für Gelegenheitsmessungen empfiehlt die SHG neu:

  • 140/90 allgemein
  • 150/90 für Patienten über 70 (bis anhin: 140/90)
  • 140/90 für Diabetiker (bis anhin: 135/85)

Damit gerade bei der Selbstmessung verlässliche Resultate erreicht werden, sind verschiedene Aspekte zu beachten. Welche, erklärt «Puls»-Arzt Dr. Thomas Kissling im folgenden Video.

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