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Neue Schweizer Schlafstudie Besser schlafen? Man muss nur wollen

Der Schlaf gehört ins Reich des Unbewussten und lässt sich nicht beeinflussen? Stimmt nicht, sagt eine neue Studie.

Den Schlaf mit dem eigenen Willen beeinflussen – das geht tatsächlich, sagt die Schweizer Psychologin Selina Combertaldi: «Man kann die Schlafqualität und -dauer mit Willenskraft verändern.»

Selina Combertaldi hat kürzlich zusammen mit Björn Rasch an der Universität Freiburg i. Ü. eine Studie zum Thema durchgeführt. Im Schlaflabor untersuchten die Forschenden mehrere Nächte lang den Schlaf von rund zwei Dutzend Personen. Sie wurden zuvor angewiesen, einmal so gut wie möglich, ein andermal so schlecht wie möglich oder so wie immer zu schlafen.

Unscharfes Bild eines Mannes im Bett
Legende: Nicht immer gelingt es, zu schlafen. Gerade wenn es wichtig wäre, liegen viele die halbe Nacht wach. Photocase / David-W-

Der Wille kann den Schlaf stark verschlechtern

Das Ergebnis des Experiments wirkt zunächst enttäuschend: Mit Willenskraft besser als üblich zu schlafen, gelang den Probandinnen und Probanden nicht. Überraschend deutlich schafften sie jedoch das Gegenteil.

«Nur weil sie es sich vorgenommen hatten, schliefen sie klar schlechter», so Combertaldi. Im Schnitt benötigten sie zum Einschlafen etwa doppelt so lang wie üblich; während der Nacht wachten sie zu 70 Prozent öfter auf.

Interessant ist, wie die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer ihr Ziel erreicht hatten: Sie erzählten, dass sie vor dem Einschlafen über negative Erlebnisse vom Tag nachgedacht hätten oder über das, was am kommenden Tag anstand oder sie sonst im Leben beschäftigte.

Sprich: Sie hatten sich gleich verhalten, wie es Menschen mit Schlafstörungen unbewusst ebenfalls tun. Auch deren Gedanken kreisen um allerlei Unbefriedigendes und Unerledigtes.

Stress ins Positive umlenken

Die Freiburger Studie macht klar: Dieses Gedankenkarussell wirkt dem guten Schlaf entgegen. Hier müsse man ansetzen, um besser zu schlafen, so Selina Combertaldi. Und man könne das auch, zum Beispiel mit einer kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie, kurz «KVT-I» genannt.

Die Therapie umfasst etwa acht Sitzungen. Dabei lernt man beispielsweise, die eigenen Gedanken zu strukturieren oder mentale Übungen zu machen, mit denen man negative oder stressige Erlebnisse positiv umlenken kann. Es geht also bei dieser Therapie darum, mit Willenskraft und Geduld das eigene Verhalten so zu ändern, dass man zum Einschlafen loslassen und Kontrolle abgeben kann.

Frau sitzt auf dem Bettrand
Legende: Die KVT-I gilt heute in der Schlafforschung als die beste unter den gängigen Therapien bei Schlafstörungen. Nur praktiziert wird sie noch zu wenig. Getty Images / Marie LaFauci

Ärzte verschreiben zu oft Medikamente

Die Therapie wurde vor drei Jahren in einer europaweiten wissenschaftlichen Evaluation als erste Wahl der Insomnie-Therapien publiziert. Sie wirke zu etwa 80 Prozent, so Selina Combertaldi.

«Das Problem ist, dass sie noch viel zu wenig praktiziert und verschrieben wird. Gerade in einem allgemeinmedizinischen Setting verschreiben Ärzte und Ärztinnen nach wie vor lieber Medikamente», sagt die Psychologin.

Dies geschieht, obwohl Schlafmedikamente oft abhängig machen und weniger langfristig wirken als die kognitive Verhaltenstherapie der Insomnie. Die KVT-I könnte man in der Schweiz zum Beispiel in den meisten Schlafkliniken ambulant machen.

Fehlender Informationsaustausch

Warum die KVT-I noch nicht breiter angewandt wird, ist schwer zu sagen. Ärzte und Psychotherapeutinnen haben allerdings oft nicht die Zeit, neben dem Berufsalltag auch die gesamte Forschung ihres Fachgebiets zu verfolgen. Es bräuchte darum wohl noch mehr Kanäle für den Informationsaustausch zwischen Forschung und Praxis.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 24.12.2020, 17:40 Uhr

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