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Neue Studie zu Schmerztherapie Cannabis-Extrakt lindert chronische Rückenschmerzen

Ein noch nicht zugelassenes Cannabis-Präparat zeigt vielversprechende Ergebnisse gegen chronische Rückenschmerzen.

Chronische Rückenschmerzen sind weit mehr als ein lästiges Ziehen im Kreuz oder ein plötzlicher Hexenschuss. Sie treiben Betroffene oft in einen Teufelskreis aus Schmerz, Angst und Unbeweglichkeit – mit gravierenden Folgen für die Lebensqualität. Weltweit leiden über eine halbe Milliarde Menschen daran.

Die bisherigen medikamentösen Therapieoptionen sind begrenzt: Nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac belasten Magen, Nieren und Herz, während Opioide wie Oxycodon oder Hydromorphon unter anderem ein hohes Suchtpotenzial bergen.

Neue Hoffnung durch Cannabis-Extrakt

Eine Studie in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» weckt nun Hoffnung. Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover haben untersucht, wie wirksam das Cannabis-Extrakt namens «VER-01» gegen chronische Rückenschmerzen ist.

Das Präparat ist bislang nicht als Medikament zugelassen, zeigte aber in der klinischen Studie mit über 800 Patientinnen und Patienten bemerkenswerte Ergebnisse. Nach drei Monaten gaben die Teilnehmenden in der VER-01-Gruppe eine grössere Schmerzreduktion an als in der Placebogruppe.

«Wir konnten mit dem Cannabis-Extrakt nicht nur eine deutliche Schmerzreduktion beobachten, sondern auch Verbesserungen beim Schlaf und der Beweglichkeit», sagt Studienleiter Matthias Karst. Im Schnitt reduzierte sich die Schmerzintensität um fast zwei Punkte auf einer Schmerzskala von null bis zehn, während es in der Placebo-Gruppe nur 1,4 Punkte waren. In einer offenen Verlängerungsphase, die nochmals mehrere Monate dauerte, nahm der Schmerz durch das Präparat sogar um einen weiteren Punkt ab.

Eine grüne Cannabispflanze.
Legende: Das Cannabis-Extrakt VER-01 ist ein Gemisch aus verschiedenen Wirkstoffen, darunter auch THC oder CBD, sowie Terpenen, Flavonoiden und weiteren bioaktiven Komponenten. KEYSTONE/Peter Klaunzer

Dennoch traten vor allem zu Beginn auch Nebenwirkungen auf: Rund 40 Prozent der Teilnehmenden aus der VER-01-Gruppe berichteten über Schwindel, 15 Prozent über Müdigkeit und 16 Prozent über Übelkeit. Nach drei Wochen waren diese Beschwerden jedoch weitgehend verschwunden. Weniger als drei Prozent klagten danach noch über solche Effekte.

Keine berauschende Wirkung

VER-01 ist ein Cannabis-Vollextrakt, das alle pflanzlichen Cannabinoide enthält – darunter auch THC (Tetrahydrocannabinol). «THC ist entscheidend für die Schmerzlinderung und Muskelentspannung», erklärt Karst.

Anders als beim Rauchen eines Joints erreicht das geschluckte Präparat jedoch keine berauschenden THC-Konzentrationen im Körper. Der Neurowissenschaftler Jan Vollert von der University of Exeter erklärt es so: Beides unterscheide sich so sehr wie Haselnüsse und Nutella. Sie hätten zwar die gleiche Basis, seien aber nicht miteinander vergleichbar.

Angesichts des grossen Teils der Weltbevölkerung, der unter chronischen Rückenschmerzen leide, seien diese Beobachtungen klinisch relevant, betont Andrea Hohmann von der Indiana University Bloomington in den USA. Kritischer sieht dies Ulrike Bingel vom Universitätsklinikum Essen: Für sie sei die Studie definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, leite aber keinen Paradigmenwechsel in der Behandlung chronischer Rückenschmerzen ein.

Ob VER-01 tatsächlich in Zukunft eine echte Alternative zu Opioiden wird, muss sich in weiteren Studien zeigen. Klar ist: Medikamente allein lösen das Problem nicht. «Es braucht oft auch Physiotherapie und psychologische Unterstützung», sagt Karst. Denn oft seien Bewegungsmangel, Fehlhaltungen und Stress die eigentlichen Auslöser chronischer Rückenschmerzen.

Radio SRF 4 News aktuell, 30.9.2025, 06:52 Uhr

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