Wer schon einmal versehentlich auf eine Wacholderbeere gebissen hat, wird das als zweifelhaftes Vergnügen empfunden haben: Wacholder schmeckt süsslich, harzig-bitter und sehr, sehr intensiv. Wie kommt man bloss auf die Idee, Sauerkraut ausgerechnet mit so etwas zusammen zu servieren?
Anregend für Magen und Darm
Ein Grund: Ohne würde es nur halb so gut schmecken. Ein weiterer: Die Inhaltsstoffe der Beeren haben verdauungsfördernde Eigenschaften und wirken so den Blähungen entgegen, die einen nach dem Sauerkrautgenuss gerne verfolgen.
Die ätherischen Öle der Wacholderbeere bringen den Magen-Darm-Trakt so richtig in Schwung. Sie haben aber auch weitere Eigenschaften, die schon vom Kräuterpfarrer Kneipp genutzt wurden: «Das Kauen der Beeren soll die Nieren anregen», weiss Apotheker Andreas Lenherr. «Man sollte es damit aber nicht übertreiben, da sonst die Nieren gereizt oder gar geschädigt werden können.» Im Alltag ist diese Gefahr allerdings klein, denn ihr intensiver Geschmack macht die Wacholderbeere nicht gerade zum Naschwerk der Wahl.
Deutlich grösser ist da die Gefahr, die von Wacholderschnaps, Gin & Co. ausgeht. Wie der Absinth standen die hochprozentigen Getränke früher im Ruf, bei übermässigem Konsum zu Verblödung zu führen. Zur äusserlichen Anwendung eignet sich der hochprozentige Wacholdergeist hingegen vergleichsweise bedenkenlos. Dabei macht man sich die positiven Eigenschaften der ätherischen Öle zur Durchblutungsförderung oder als Prophylaxe gegen das Wundliegen zu Nutze.
Wie der Gin zum Tonic kam
Zum Einreiben liesse sich natürlich auch handelsüblicher Gin nutzen, das wäre aber ein ziemlich teures Vergnügen. Die in den Apotheken erhältlichen Qualitäten sind von der Alkoholsteuer befreit und dadurch erheblich billiger. Das Vergällen mit Kampfer stellt sicher, dass dieser Wacholdergeist auch wirklich auf der Haut und nicht etwa in einem Drink landet.
Apropos: Gin Tonic, das legendäre Lieblingsgetränk der Queen Mum (1900–2002), verdankt seine Entstehung wohl den ausgeprägten aromatischen Eigenschaften der Wacholderbeere. Zu Zeiten des British Empires wurde in Indien das chininhaltige Tonic Water zur Malaria-Prophylaxe verabreicht. Das schmeckte aber derart bitter, dass man es mit Gin geschmacklich erträglich machte. Das Indian Tonic Water war damals also nicht bloss Zutat, sondern Ausgangspunkt des mittlerweile klassischen Longdrinks.