Den Forschern aus Kanada und Aarau ist es gelungen, mehrere «Hochrisiko-Mutationen» auf der Erbgut-DNA von Chromosom 19 auszumachen. «Wer solche Mutationen besitzt, hat ein etwa vierfach erhöhtes Risiko für die Entstehung eines aggressiven Prostata-Karzinoms», erklärt der Urologe Franz Recker vom Kantonsspital Aarau.
Mit der Entdeckung der «Hochrisiko-Mutationen» werden in Zukunft Patienten mit einem Prostatakarzinom gezielter diagnostiziert und therapiert werden können, so die Hoffnung der Forscher.
Test ist Zukunftsmusik
Soweit ist es aber noch nicht. Bislang steht Patienten vor allem ein Bluttest zur Verfügung, welcher Prostatakrebs frühzeitig erkennen kann – der PSA-Test. Er ist ein Bluttest, bei dem die Menge an PSA (prostataspezifisches Antigen) im Blut gemessen wird. PSA wird in der Prostata produziert. Je nach Alter und Gesundheitszustand der Prostata gelangt ein Teil davon in den Blutkreislauf. Ein erhöhter PSA-Wert kann auf Prostatakrebs hindeuten. Allerdings kann die PSA-Menge im Blut auch wegen anderen, nicht krebsbedingten Ursachen erhöht sein (z. B. wegen einer Prostatavergrösserung, Prostataentzündung oder Harnwegsinfektionen).
Ein einzelnes Testergebnis ist also nicht unbedingt aussagekräftig genug. Umgekehrt besteht aber auch die Möglichkeit, dass eine Krebserkrankung mit dem PSA-Test zunächst nicht erkannt wird, also erst bei späterer PSA-Kontrolle auffällt. Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der durch den PSA-Test entdeckten Karzinome solche sind, von denen die Männer ohne Früherkennung nie etwas erfahren hätten. Denn die meisten Prostatakrebsarten sind nicht lebensbedrohlich und haben keinen Einfluss auf die Lebensdauer des Mannes, da sie viel zu langsam wachsen.
Probleme des PSA-Tests
Der Test eignet sich deshalb nur beschränkt für ein flächendeckendes Screening beim Mann. Das zeigt sich in der Grafik sehr eindrücklich. Um einen einzigen Mann davor zu bewahren, an Prostatakrebs zu sterben muss bei insgesamt 1000 Männern der PSA-Wert bestimmt werden. Bei 280 von ihnen schlägt der Test dann Alarm. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Fehlalarm. Doch um das herauszufinden braucht es Gewebeproben aus der Prostata – sogenannte Biopsien.
Dabei findet man dann bei 102 Männern tatsächlich Krebszellen. Mehr als die Hälfte erhalten anschliessend eine Behandlung. Dazu gehören vor allem die Bestrahlung oder das Entfernen der Prostata. Oft verursachen die invasiven Eingriffe Nebenwirkungen wie Infektionen, Inkontinenz oder Impotenz. Letztlich sterben trotz frühem PSA-Test statistisch betrachtet vier Männer an Prostatakrebs. Nur einer überlebt dank dem PSA-Screening. Jedoch werden viele Männer unnötig behandelt.
Das alles zeigt: Um aussagekräftige Prognosen zu treffen, braucht es noch weitere Methoden neben dem PSA-Test. Die Erkenntnisse der Aarauer Forscher könnten in Zukunft eine Methode sein, die Gefährlichkeit von Tumoren besser einzuschätzen.
Weitere neue Marker
Schon viel weiter als die Aarauer Forscher ist ein ETH-StartUp in Schlieren. Ralph Schiess und Christian Brühlmann wollen mit ihrem Bluttest Prostatakrebs ebenfalls früh erkennen können. Biochemiker Ralph Schiess forschte in seiner Doktorarbeit an Proteinen, die ganz spezifisch auf Prostatakrebs hinweisen. Auch das Verfahren der Schlierener Forscher soll also den ungenauen PSA-Test ergänzen. Eine ganze Serie von verschiedenen Eiweissen im Blut soll die Aussagekraft des Bluttests erhöhen. «Schon nach ungefähr zwei Stunden liefert unser Test Resultate», sagt Ralph Schiess. Das soll dabei helfen, bei Männern mit erhöhten PSA-Werten besser entscheiden zu können, wer am Ende wirklich eine Gewebeprobe braucht. Erste klinische Tests lassen hoffen, dass die Hälfte der unnötigen Biopsien damit überflüssig werden könnte, so die Forscher.
Der Onkologe und Prostata-Spezialist Richard Cathomas verfolgt die neuen Entwicklungen eng. Für ihn geht es in die richtige Richtung: «Die Tests haben ein grosses Potential, die Nachteile, die ein Screening bis anhin hatte, zu vermindern», sagt Cathomas. Gleichzeitig warnt er aber auch vor zu grossen Hoffnungen. Er schätzt, dass es noch rund zehn Jahre dauert, bis die Tests breit in der Klinik ankommen und wirklich sicher angewendet werden können.
Prostata
Die kastaniengrosse Prostata liegt beim Mann direkt unter der Blase und umgibt die Harnröhre wie ein Ring. Sie produziert den grössten Teil der Flüssigkeit beim Samenerguss. Bösartige Tumoren an dieser Stelle, sogenannte Prostatakarzinome, sind mit Abstand die häufigste Krebsart. Jährlich erkranken in der Schweiz rund 5800 Männer daran. Prostatakrebs hat einen geringen Einfluss auf die Gesamttodesrate, da die Überlebenschancen gut sind. Trotzdem ist er in der Schweiz mit rund 1300 Todesfällen – nach Lungenkrebs – die zweithäufigste Krebstodesursache. Das sind vier Prozent der Todesfälle beim Mann. |