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Reportage von der Insel Elba Bei Coronaverdacht hat die Gastfreundschaft ein Ende

Was tut der beliebte Ferienort für die Gesundheit der Touristen? Ein Augenschein vor Ort hinterlässt gemischte Gefühle.

Die Sommerferien stehen vor der Tür, die Grenzen nach Europa sind wieder offen. Sonne und Strand locken – doch das Coronavirus schwebt wie eine dunkle Wolke über unseren Köpfen.

Philipp Zahn

Auslandredaktor

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Philipp Zahn ist Teil der TV-Auslandredaktion von SRF. Davor berichtete er als Korrespondent aus Italien, Griechenland und der Türkei. Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie in Berlin und Siena.

Was unternehmen eigentlich die Ferienorte für die Gesundheit ihrer Gäste? Für das Gesundheitsmagazin «Puls» nehme ich einen Augenschein auf der Insel Elba, wo Touristinnen und Touristen aus der Schweiz normalerweise die grösste Gästegruppe sind.

Ankunft in Piombino: Seit Jahrzehnten kaufe ich am Hafen hier die Tickets für die Fährpassage nach Elba. Das erste Mal aber mit Schutzmaske. Vor dem Espresso – Hände desinfizieren! Und auch den Barista habe ich noch nie so hinter Plexiglas gesehen.

Barista in Zeiten von Corona
Legende: Ungewohnter Anblick: maskierter Barista hinter Plexiglas. SRF

Bei der Ausfahrt aus dem Hafen fällt mir auf: Es hat nur wenige Passagiere. Und einige der Italiener tragen Gesichtsmasken – auch auf offener See, bei frischer Meeresluft.

Ankunft in Portoferraio, der Inselhauptstadt. In der Hochsaison kommen hier täglich zehnttausende Touristen an. Doch noch scheint Elba ziemlich verlassen nach dem langen Lockdown.

Spitaleingang
Legende: Vor dem Eintritt ins Spital wird die Temperatur gemessen. SRF

Wir fahren zum Inselspital. Ich möchte wissen, wie man hier auf Touristen, die an Covid erkranken, vorbereitet ist. Gibt es Notfallpläne für die Hochsaison?

Schon am Eingang: Temperaturmessung. Touristen und Besucher aus der Schweiz will man jedoch gleich beruhigen. «Auf Elba gab es insgesamt 12 Corona-Fälle. Davon nur einen Toten, der aber schon eine ganze Reihe von Vorkomplikationen hatte», hält Spitaldirektor Bruno Maria Graziano fest und betont: «Momentan gibt es auf der Insel niemanden, der oder die positiv getestet ist.»

Bei 30'000 Einwohnern im Winter schön und gut. Was aber, wenn jetzt im August wieder 150'000 Touristen erwartet werden, die auch das Virus mitbringen könnten?

Die Antwort des Spitaldirektors: «Wenn jemand Symptome aufweist und der serologische Bluttest im Hotel oder auf dem Campingplatz auf eine Covid-Erkrankung hinweist, dann bitten wir um eine sofortige Rückreise, um die Untersuchungen zu Hause fortzusetzen.»

Touristen mit Symptomen bitten wir um eine sofortige Rückreise.
Autor: Bruno Maria Graziano Spitaldirektor, Portoferraio Elba

Wenig zuverlässige Antikörpertests, die eine Erkrankung erst Tage oder Wochen nach der Infektion nachweisen, als Diagnosemittel für Touristen? Mich beschleicht das Gefühl, dass damit neue Corona-Infektionen zu spät erkannt werden.

Der Spitaldirektor führt mich ins Untersuchungszelt, wo bislang die Corona-Verdachtspatienten untersucht werden. Hier finden wir einige Abstrichröhrchen für den zuverlässigen Virusnachweis. Doch leider gibt es davon nicht genug, wie auch andernorts in Italien. Für ein flächendeckendes Screening auch der Touristen fehlen die Mittel.

Luigi Genghi, der Leiter der Gesundheitsvorsorge auf Elba, weist zudem auf das begrenzte Zeitbudget der Reisenden hin: «Die Hals- oder Nasenabstrich-Tests, die wir haben, brauchen zwei Tage für ein Ergebnis. So lange aber wollen wir die Touristen nicht im Ungewissen lassen.»

Also dann lieber beim ersten Verdacht Elba-Touristen nach Hause schicken? Und wenn Touristen zum Beispiel in die Schweiz zurückgeschickt werden – wer kontrolliert die Einhaltung der Hygienevorschriften auf der Rückreise?

Wie das funktionieren soll, fragen wir Massimo de Ferrari, den obersten Hotelier der Insel. «Bei Verdacht auf eine Corona-Infizierung wird wohl jemand die Rückreise überwachen. Vielleicht übernimmt das auch die ganze Familie?», meint de Ferrari vage und setzt im Grossen und Ganzen auf die Selbständigkeit der Feriengäste.

«Wir wissen doch: Covid-Erkrankte können auch keine Symptome haben und deshalb aus eigener Kraft die Heimreise antreten – mit dem eigenen Auto, ohne Krankenwagen.»

Möglicherweise an Corona erkrankte Touristen, die auf eigene Faust quer durch Europa nach Hause reisen? Für mich eine abenteuerliche Vorstellung!

Noch fühlen sich die wenigen Gäste, die bereits auf Elba sind, sicher. Der Blick in die Zukunft bereitet aber durchaus Sorgen: «Jetzt im Moment ist es super», meint eine Schweizer Touristin, «aber wenn in einem Monat Hunderttausende von Menschen kommen, dann muss man die Situation sicher wieder neu abwägen.»

Aktuell setzt man auf Elba auf Selbstverantwortung. Bei mir bleibt ein mulmiges Gefühl und die Hoffnung, dass Elba und seine Touristen diesen Sommer von einer zweiten Welle verschont bleiben.

«Mit Symptomen nicht einfach nach Hause reisen»

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Daniel Paris ist Reisemediziner des Schweizerischen Tropeninstituts

SRF: Bei unserem Korrespondenten Philipp Zahn hinterlässt das Corona-Konzept von Elba ein mulmiges Gefühl. Daniel Paris, wie geht es Ihnen als Infektiologe und Reisemediziner?

Daniel Paris: Wegen Elba habe ich kein mulmiges Gefühl, aber ich muss schon sagen: Die Einstellung des Spitaldirektors gibt mir zu denken. Besonders, weil wir uns trotz der extrem gesunkenen Fallzahlen in der Schweiz immer noch in einer globalen Pandemiesituation befinden. Da einfach Verdachtsfälle pauschal in Europa herumschicken... da wird's mir schon mulmig.

Wo ist man bei Auslandferien am sichersten? Auf dem Campingplatz, in einem Hotel oder in einer Ferienwohnung?

Alle drei Situationen haben ihre Vor- und Nachteile. In einem Hotel wird man zum Berispiel am Buffet exponiert und es hat viele Leute, die an- und abreisen. Und was einem meist nicht so bewusst ist: Gibt es Verdachtsfälle, kann ein ganzes Hotel unter Quarantäne gestellt werden.

Beim Camping hat man sehr viele soziale Kontakte. Da können sich auch gewisse Risikosituationen ergeben.

In einer Ferienwohnung ist das Risiko wohl am kleinsten, da man dort eher isoliert ist. Aber man muss natürlich einkaufen gehen und dafür entsprechende Massnahmen treffen.

Am Strand, im Restaurant, auf dem Markt, in der Disco am Abend? Wo ist es besonders heikel?

Ganz klar in der Disco am Abend. Oder in einer Kirche oder Kathedrale. Geschlossene Räume mit vielen Leuten – das sind die gefährlichen Situationen.

Die sollte man also im Ausland wie zu Hause meiden.

Ja.

Wenn jemand aus der eigenen Familie während der Ferien Symptome entwickelt und man weniger als eine Tagesreise von der Schweiz entfernt ist: Soll man dann nicht gleich nach Hause zurückkehren statt in irgend einem Hotel zu stranden?

Wir sind jetzt in einer Phase, wo es darum geht, Übertragungsketten zu unterbrechen. Dem ist nicht gedient, indem man einfach «abhaut».

Das richtige Vorgehen wäre im Prinzip, dort zu bleiben, wo man diagnostiziert wird und die Quarantänefrist abzusitzen. Wenn die medizinische Versorgung so limitiert ist, dass es doch eine Reise in die Schweiz braucht, dann vorzugsweise mit dem Auto, unter isolierten Bedingungen.

Aktuell gelten überall etwas unterschiedliche Regeln. In Italien sogar von Region zu Region. Wo kann ich mich über die Situation vor Ort und die geltenden Regeln informieren?

Die Situation ist tatsächlich sehr dynamisch. Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man in die Ferien reist, und laufend versuchen, up-to-date zu bleiben.

Sehr gute Informationen über ganz Europa finden sich auf den Webseiten des Bundesamts für Gesundheit BAG und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA . Dort sollte man sich auf jeden Fall vor Antritt der Reise informieren.

Selber nutze ich ausserdem häufig die Travel Admin App des EDA. Die ist auch am Reiseziel selber sehr nützlich.

Das Gespräch führte Daniela Lager.

Puls, 22.06.2020, 21:05 Uhr

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