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Schleichender Jodmangel in der Schweiz

Seit 1922 Kochsalz erstmals Jod beigefügt wurde, sind schwere Erkrankungen der Schilddrüse durch Jodmangel weitgehend verschwunden. Moderne Ernährungsgewohnheiten machen es aber zunehmend schwierig, genügend Jod unters Volk zu bringen. Jetzt soll ab 2014 mehr Jod ins Kochsalz

Jod ist ein lebenswichtiges Spurenelement, auf dessen Aufnahme durch die Nahrung jeder Mensch angewiesen ist. Wichtig ist Jod für die Schilddrüse: Sie benötigt es für die Herstellung der beiden Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). Fehlt Jod, fehlen im Körper die Schilddrüsenhormone, und das hat Folgen.

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Unterschätzte Macht der Schilddrüse

Die Aufgabe der Schilddrüse ist, vereinfacht gesagt, das Ankurbeln des Stoffwechsels. Wenn die Schilddrüse nicht ausreichend arbeitet, verlangsamt sich der Herzschlag, sinkt die Körpertemperatur, wird die Haut trocken und kommt es zu Verstopfung, Gewichtszunahme und psychischen Symptomen wie Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder depressiver Stimmung. Häufig bemerken die Betroffenen die Symptome gar nicht, weil sie sich langsam entwickeln und sie sie so einfach als normal ansehen. Der Körper hingegen bemerkt den Mangel an Schilddrüsenhormonen und versucht, entgegenzusteuern: Das Hirn schüttet Stoffe aus, die die Schilddrüse anregen sollen. Dadurch vergrössert sich die Schilddrüse – ein Kropf entsteht.

Besonders schlimm wirkt sich ein Jodmangel in der Schwangerschaft aus. Beim Ungeborenen sind die Schilddrüsenhormone nämlich unter anderem an der Entwicklung von Gehirn und Skelett beteiligt – fehlen sie, kommt es zu typischen Knochenmissbildungen und geistiger Behinderung, oft verbunden mit Taubstummheit – dem sogenannten Kretinismus.

Historische Massnahmen gegen den Jodmangel

Weil in den Schweizer Böden kaum Jod vorkommt, waren Kröpfe und Kretine in der Schweiz vor allem in Bergregionen bis ins letzte Jahrhundert weit verbreitet. In Bergtälern litten im 19. Jahrhundert rund 90 Prozent der Bevölkerung an einem Kropf, zwei Prozent an Kretinismus. 1843 wurden im Wallis 3000 Kretine gezählt; im Kanton Fribourg waren im späten 19. Jahrhundert rund 30 Prozent der Rekruten wegen eines Kropfs dienstunfähig.

Schon früh war klar, dass Jod ein ausgezeichnetes Medikament dagegen ist. Bereits 1838 kam deshalb erstmals der Vorschlag, Kochsalz mit Jod zu versetzen, weil Salz eines der wenigen Lebensmittel ist, das jeder benötigt und sich leisten kann. Erst 1922 begann man aber im Kanton Appenzell Ausserrhoden, dem Haushaltssalz Jod zuzusetzen, und das setzte sich nach und nach für die ganze Schweiz durch. Mit bemerkenswerter Effizienz: Bereits einige Jahre nach Beginn der Salzjodierung kamen kaum noch Kretinen zur Welt; der letzte Kretine in der Schweiz starb um 1970.

Änderung im 2014

Die Fluor- und Jodkommission der Schweiz prüft alle fünf Jahre die Jodversorgung der Bevölkerung und ergreift Massnahmen, sobald die Werte wieder zu tief sinken. Bei den letzten Messungen 2009 zeigten sich zwar noch knapp ausreichende Werte, aber eine deutlich fallende Tendenz gegenüber 2004; stillende Mütter und deren Babys waren sogar leicht unterhalb der von der WHO festgelegten Grenzwerte. Deshalb wird per 1. Januar 2014 der Jodgehalt im Salz von 20 auf 25 Milligramm Jod pro Kilo Salz erhöht.

Diese Dosis liegt immer noch eher im mittleren bis unteren Bereich der Jodkonzentrationen im Salz anderer europäischer Länder und wird von Schilddrüsenexperten als absolut unbedenklich eingestuft. Eine Kontrollmessung wird 2015 erfolgen.

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