Mit Ihrer E-Mail vom 9. November 2017 beanstandeten Sie die Sendung «Puls» (Fernsehen SRF) vom 6. November 2017 und dort den Beitrag über «Heikle Knieprothesen». Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Ich habe zum Thema ‹Kniegelenkersatz› in der Sendung Puls vom 6. November 2017 folgende Bemerkungen: Für mich war es eine sehr unausgewogene, einseitige, unvollständige und tendenziöse Berichterstattung.
Begründung:
Tatsache ist, dass 80% der Eingriffe für Kniegelenkersatz erfolgreich sind und absolut problemlos verlaufen. Diese 80% wurden in der Sendung mit keinem Wort erwähnt. Es wurde nur von den 20% gesprochen, die angeblich nicht gut verlaufen sind. Bei diesen 20% ist nicht einmal klar, warum diese nicht gut verlaufen sind. Es könnte ja auch sein, dass sich die betroffenen Personen nicht vollständig an die Anweisungen der Ärzte bzw. Therapeuten gehalten haben.
Die Berichterstattung hat nach meiner Ansicht nichts mit professionellem Journalismus zu tun. Die Berichterstattung grenzt nach meiner Ansicht eher an Boulevard Journalismus. Die Einblendung (Bilder) mit den 3 ‚negativen‘ Knie hat mich schockiert.
Wenn schon die negativen Fälle gezeigt werden, dann müssen unbedingt auch die positiven Fälle gezeigt werden. Es sind von 15 Fällen immerhin 12 Fälle. Es kommt mir vor, wie wenn bei dem Interview zu einem Skirennen nur die gestürzten und ausgeschiedenen Fahrer bzw. Fahrerinnen gezeigt und die Sieger bzw. Siegerinnen vergessen werden. Selbst bei einem Warentest werden die Sieger und die Verlierer aufgezeigt. Bei der erwähnten Sendung hat diese völlig gefehlt. Es wurden ausschliesslich die Verlierer gezeigt. In der Sendung Puls geht es immerhin um Menschen.
Die Sendung war nach meiner Meinung eine absolute Schwarzmalerei. Puls sollte nach meiner Meinung eine ‹Gesundheitssendung› und nicht eine ‹Krankheitssendung› sein. Können Sie sich vorstellen, was die Sendung bei Menschen ausgelöst hat, die sich in nächster Zeit einer Knieoperation unterziehen müssen. Es sind grosse Angst und Unsicherheit und Zweifel. Denkbar schlechte Voraussetzung für eine bevorstehende Operation.
Ich denke, dass in einer der nächsten Sendung Puls auf die in der Sendung vom 6.11.2017 gemachten Unterlassungen und Mängel hingewiesen werden muss.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Puls» antwortete ihr Redaktionsleiter, Herr Gerald Tippelmann :
«Der Beanstander bemängelt, dass die Berichterstattung zum Thema ‹Kniegelenksersatz› in der Pulssendung vom 6.11.2017 ‹unausgewogen, einseitig, unvollständig und tendenziös› gewesen sei und insbesondere die mehrheitlich positiven Erfahrungen mit Kniegelenksprothesen unterschlagen habe.
Der Einsatz einer Kniegelenksprothese ist eine etablierte und erfolgreiche Behandlung bei fortgeschrittener Kniegelenksarthrose. Die oft seit Jahren unter Schmerzen leidenden Patienten haben hohe Erwartungen an diese Operation. 16‘000 Mal kommt sie in der Schweiz jährlich zum Einsatz. Routine, sollte man meinen. Wenig bekannt dabei, dass geschätzt 20% der Operierten ihre Erwartungen im Nachhinein nicht erfüllt sehen. Diese Tatsache, sowie die Frage, ob modernere Operationstechniken die Situation verbessern können, war der Fokus unserer Sendung.
Insofern ist der Vorwurf des Beanstanders nachvollziehbar und im Sinne unserer Fokussierung sogar erwünscht. Bei einem so massiven Eingriff wie einem Gelenksimplantat muss vorab und vollständig über die erwartbaren Resultate informiert werden, da falsche Erwartungen mitverantwortlich für das selbsterlebte Ergebnis sind. Es war in keiner Weise unsere Absicht ‹alles über Kniegelenksimplantate› zu berichten oder die unstrittigen Erfolge dieser Therapie zu diffamieren. Das hätte ein Thementitel wie ‹Probleme nach Knieprothesen› vielleicht schneller klargestellt. Aber, um im Bild des Beschwerdeführers zu bleiben, wenn wir über Stürze bei Skirennen berichten, müssen wir auch Stürze zeigen und eben nicht die jubelnden Sieger. Ich denke, dass wir mit dieser Berichterstattung keineswegs unnötig Ängste auslösen, sondern im Gegenteil Betroffenen klar machen können, dass solche Eingriffe nicht immer wie am Modell oder in der Grafik funktionieren.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung . Ich bin weder mit Ihrer Argumentation einverstanden, noch zufrieden mit der Stellungnahme der Redaktion, denn letztlich stellt sich die Frage: Was wurde dem Publikum geboten? Worüber wurde es faktisch informiert? Da sowohl Sie wie auch Herr Tippelmann wichtige Aspekte der Sendung vernachlässigen, liegt es an mir zu repetieren, was den Zuschauerinnen und Zuschauern effektiv offeriert wurde und was sie lernen konnten:
Erstens, und das ist ganz wichtig, bot die Sendung Beratung an: Ein dreiköpfiges Expertenteam aus Orthopäden beantwortete im Chat Fragen, deren Erörterung in der Regel nicht nur für den Fragesteller, sondern für alle, die Probleme mit einem Knie haben, von Interesse war.
Zweitens sagte Hausarzt Thomas Kissling, dass man im Zweifelsfall nicht operieren sollte, dass aber eine Operation unumgänglich sei, wenn die Schmerzen überhand nehmen.
Drittens war die Information darüber, warum in 20 Prozent der Fälle Knieprothesen nicht zum gewünschten Erfolg führen und die Patienten danach weiter Schmerzen leiden oder ihr Knie nicht voll biegen können, sehr sachlich . Dass die Misserfolge 20 Prozent ausmachen, wurde plakativ vermerkt. Jedermann konnte ausrechnen, dass 80 Prozent der Operationen erfolgreich verlaufen. Die in der Sendung befragten Ärzte beschönigten nichts und waren keineswegs der Meinung, das Fernsehen würde ein Problem aufbauschen, sondern sie nannten Gründe für die Misserfolge: Es gibt zu wenig Studien, die Aufschluss geben über Verbesserungsmöglichkeiten. Es gibt Faktoren, die beim Patienten liegen, und Faktoren, die bei den Operateuren liegen (Positionierung der Prothese, handwerkliche Unzulänglichkeiten, da man eine dreidimensionale Situation mit einem zweidimensionalen Modell bewältigen muss). Inzwischen gibt es zwar die Teilprothese nach Mass, aber noch sind nicht alle Risiken beseitigt. Vor allem die orthopädischen Chirurgen Privatdozent Dr. Michael Hirschmann, Leiter des Knie-Teams am Kantonsspital Baselland Bruderholz , und Prof. Dr. Markus Arnold, Orthopäde an der Klinik Hirslanden Zürich, redeten sehr offen über die Risiken. Wenn das die zuständigen Ärzte selber ansprechen, dann ist es ein Thema. Ich kann daher Ihrer Ansicht nicht zustimmen, dass der Beitrag der Sendung «Puls» eine «unausgewogene, einseitige, unvollständige und tendenziöse Berichterstattung» war. Es war im Gegenteil wichtig, potenzielle Patienten darüber aufzuklären, was auf dem Spiel steht, und sie zu ermuntern, die Ärzte im Vorfeld über Chancen und Risiken genau zu befragen. Insofern war der Beitrag über «heikle Knieprothesen» – so hiess er! – differenziert und umfassend, und Ihre Beanstandung kann ich daher nicht unterstützen .
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Roger Blum, Ombudsmann