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Schmetterlingskrankheit: Heilung durch Gentherapie?

Schmetterlingskinder leiden an einer seltenen genetischen Hautkrankheit: Ihre Haut ist so verletzlich, dass schon leichte Stösse zu Wunden führen. Bisher galt die Krankheit als unheilbar. Nun gibt eine erfolgreiche Gentherapie in Deutschland auch Betroffenen in der Schweiz neue Hoffnung.

Ihre Haut ist zart wie ein Schmetterlingsflügel, deshalb werden Menschen mit der Krankheit Epidermolysis bullosa im Volksmund als Schmetterlingskinder bezeichnet. Bei leichten Stössen oder durch Kratzen entstehen auf ihrer Haut Blasen und grosse Wunden, auch Schleimhäute und die inneren Organe können betroffen sein. Von der seltenen Krankheit sind in der Schweiz rund 80 Menschen betroffen. Auslöser sind Gendefekte, die ein einzelnes oder mehrere Gene betreffen können und die Bildung von Proteinen stören, die für den Aufbau und Zusammenhalt der Haut notwendig sind.

Experimentelle Therapie in Deutschland

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Bisher galt die Krankheit als unheilbar. Ärzten am Universitätsklinikum Bochum ist aber eine Sensation geglückt: Ein 8-jähriger Schmetterlingsjunge kann nach einer experimentellen Gentherapie heute ein normales Leben führen. Vor rund zwei Jahren war er in lebensbedrohlichem Zustand ins Spital eingeliefert worden. Er hatte durch die Krankheit rund 60 Prozent seiner Oberhaut verloren. Die Ärzte entnahmen dem Jungen daraufhin für eine experimentelle Gentherapie ein Stück intakte Haut. Wissenschaftler in einem Labor im italienischen Modena behandelten die entnommenen Hautzellen des Jungen und bauten ein gesundes Gen in ihr Erbgut ein.

Aus den nunmehr gesunden Hautzellen züchteten die Wissenschaftler rund einen Quadratmeter Haut. Diese wurde dem Jungen in Deutschland transplantiert. Die neue Haut verheilte problemlos, wenige Monate nach dem Eingriff konnte der Junge das Spital verlassen. Auch zwei Jahre nach dem Eingriff ist seine Haut gesund, bildet keine Blasen und erneuert sich von selbst.

«Dies ist im Moment die grösste Hoffnung», kommentiert Dr. Carolina Gouveia die erfolgreiche Behandlung. Sie ist Dermatologin und Leiterin einer interdisziplinären Sprechstunde für Schmetterlingskinder am Inselspital in Bern. «Es ist für die medizinische Gemeinschaft und die Betroffenen ein Durchbruch.» Bisher standen ihren Patienten nur unterstützende Therapien wie bessere Verbände und Salben zur Verfügung. Eine Gentherapie wie im Fall des Jungen in Deutschland stellt nun ganz andere Möglichkeiten in Aussicht.

Hoffnung mit Vorbehalt

Aber Carolina Gouveia warnt davor, bereits eine Heilung für viele Betroffene zu erwarten. Unterschiedliche Gendefekte lösten die Krankheit aus und nicht alle Gendefekte würden sich so problemlos im Labor beheben lassen, wie der des Jungen in Deutschland. Trotzdem: «Wir hoffen, dass mit dieser Technologie auch andere Typen von Epidermolysis bullosa behandelt werden können», so die Dermatologin. Sie geht davon aus, dass es in fünf bis zehn Jahren so weit sein könnte.

Das würde die Lebensqualität von vielen ihrer Patienten drastisch verbessern. Chronische Wunden könnten mit genetisch veränderter, gesunder Haut behandelt werden. Doch es gibt auch Symptome, die sich durch eine Gentherapie mit gesunder Haut nicht beheben liessen, merkt die Dermatologin an. «Bei Problemen mit der Speiseröhre oder bei den zusammengewachsenen Fingern wird die Therapie nicht helfen.» Auch bleibt ein erhöhtes Krebsrisiko nach einer Gentherapie zu beachten. Angesichts des Erfolgs in Deutschland rät Carolina Gouveia schlicht: «Wir müssen ganz ruhig und zurückhaltend sein.»

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