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Krankgeschrieben – Was darf ich trotzdem, was nicht?
Aus Puls vom 27.05.2019.
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Schneller wieder an der Arbeit Kurswechsel beim Krankschreiben

Arztzeugnisse belegen das Ausmass einer Arbeitsunfähigkeit. Ein neuer Ansatz fokussiert stattdessen auf das, was geht.

Bei Krankheit oder Unfall verlangen viele Arbeitgeber ein ärztliches Attest. Im Alltag sorgt dies aber oft für Unsicherheit: Wer sich aus dem Hause wagt, setzt sich dem unterschwelligen Verdacht aus, krankzufeiern.

«Arbeitsunfähigkeit heisst nicht Hausarrest», hält Arbeitsrechtler Roger Hischier dem entgegen. Herkömmliche Arztzeugnisse vermitteln aber genau diesen Eindruck.

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«Arbeitsunfähigkeit heisst ja nicht Hausarrest. In solchen Situationen kommt aber halt schnell einmal Misstrauen auf.»
Aus Puls vom 27.05.2019.
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Eine neue Form von Arztzeugnis soll das jetzt ändern. Es heisst explizit Arbeitsfähigkeitszeugnis und legt den Fokus nicht darauf, was man nicht mehr leisten kann, sondern auf das, was noch geht.

Hinter dem Ansatz steckt der Verband der Versicherungsärzte. Dort ist man überzeugt, dass die Rückkehr an den Arbeitsplatz bei Langzeitkranken besonders sorgfältig geplant werden muss.

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«Bei Mitarbeitern, die bereits längere Zeit krank sind, muss sorgfältig geplant werden, wie sie wieder an den Arbeitsplatz zurückkönnen. Dafür braucht es einen guten Informationsaustausch.»
Aus Puls vom 27.05.2019.
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Im neu entwickelten Arbeitsfähigkeitszeugnis ist detailliert beschrieben, welche Arbeiten wie intensiv und mit welchem Pensum erledigt werden können.

Da die Mediziner nicht immer wissen können, was konkret ihrem Patienten im Job abverlangt wird, füllen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam einen Online-Fragebogen aus, der unter der Ägide des Arbeitgeberverbandes ausgearbeitet wurde.

Dessen Mitglieder haben naturgemäss kein Interesse an langen Absenzen. «Die sind menschlich schwierig», weiss Martin Kaiser. Dann stellen sich auch viele organisatorische Fragen, und schliesslich gehe es ins gute Geld.

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«Arbeitgeber haben kein Interesse an langen Absenzen. Sie sind menschlich und organisatorisch schwierig und gehen ins gute Geld.»
Aus Puls vom 27.05.2019.
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Die volkswirtschaftlichen Kosten krankheitsbedingter Absenzen sind erheblich: 2016 waren es 6,9 Milliarden Franken.

Dass Arbeitgeber und Versicherer also ein Interesse an einer raschen Eingliederung haben, ist nicht erstaunlich. Aber auch der Arbeitnehmenden-Dachverband «Travaille Suisse» begrüsst es, wenn prinzipiell mehr auf die Fähigkeiten erkrankter Mitarbeiter gesetzt wird.

Wobei durchaus Vorbehalte bestehen: «Es besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber diese Informationen ausnutzen, um auf Arbeitnehmende Druck auszuüben», warnt Präsident Adrian Wüthrich.

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«Der Arbeitgeber wird durch das neue Zeugnis mehr Informationen haben. Da besteht die Gefahr, dass auf den Arbeitnehmer Druck ausgeübt wird, möglichst schnell wieder zur Arbeit zurückzukommen, um die Absenz zu kompensieren.»
Aus Puls vom 27.05.2019.
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«Das ist sicher ein Punkt, den man im Auge behalten muss», meint Yvonne Bollag. Aber sie vertraut auf die Ärzte: «Die wissen, welche Belastungen medizinisch vertretbar sind und welche nicht.»

Die Verantwortung für langfristige Krankschreibungen bleibt also weiterhin beim Hausarzt. Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz, sieht darin auch Chancen: «Gerade wenn einem Arbeitnehmer gesagt wird ‹komm erst wieder, wenn Du wirklich gesund bist!› kann man darauf hinweisen, dass es schon vorher Möglichkeiten gibt, ihn zu beschäftigen.» Ein guter Schritt für den Wiedereinstieg.

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«Das neue Zeugnis erlaubt uns auch, differenzierter mit der Situation umzugehen.»
Aus Puls vom 27.05.2019.
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Bis sich der neue Ansatz durchgesetzt hat, müssen aber alle Kantone mitziehen. Denn Arztzeugnisse sind derzeit noch kantonal geregelt. Und viele Kantone haben bereits heute ähnliche Zeugnisse für Langzeitausfälle – jeder sein eigenes.

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