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Seltene Krankheiten bereiten häufig Probleme

Es gibt einige Tausend «seltene Krankheiten», von denen jeweils nur wenige Personen betroffen sind. Von der Forschung vernachlässigt und den Allgemeinmedizinern kaum vertraut, ist eine Therapie meist entsprechend teuer und schwierig.

Am 23. Februar fand zum dritten Mal der internationale Tag der seltenen Krankheiten in der Schweiz statt. Ziel der hochkarätigen Tagung im Irchel-Campus der Universität Zürich ist es, durch die Bündelung von Kompetenzen die Kenntnisse über seltene Krankheiten zu verbessern. Dabei sollen Synergien zwischen den einzelnen Akteuren geschaffen werden, zum Beispiel zwischen Grundlagen- und klinischer Forschung. Damit sollen langfristig besser und schneller therapeutische Strategien entwickelt werden können, welche den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und so die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.

Seltene Krankheiten betreffen jeweils weniger als einen von 2000 Menschen und bedürfen spezifischer, pluridisziplinärer therapeutischer und pflegerischer Massnahmen. Heute sind über 7000 seltene Krankheiten bekannt. 80 Prozent sind genetischer Natur, weitere Gründe sind Infektionen, Autoimmunkrankheiten, bestimmte Arten von Krebs oder degenerative Erkrankungen. Seltene Krankheiten werden auch als «orphan diseases» bezeichnet – «Waisenkrankheiten», die so selten sind, dass sie in der Praxis eines Allgemeinmediziniers in der Regel höchstens einmal pro Jahr in Erscheinung treten. In der Schweiz leiden rund 500'000 Menschen an einer solchen.

Schwierige Situation für die Betroffenen

Wer an einer seltenen Krankheit leidet, hat mit vielen Problemen zu kämpfen: Oft dauert es lange, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Spezialisten sind rar und Forschung findet kaum Unterstützung. Gibt es überhaupt Therapie-Möglichkeiten, können Betroffene nicht sicher sein, dass Invalidenversicherung oder Krankenkasse die Kosten übernehmen. Das gilt besonders, wenn ein Medikament teuer ist und nicht auf der Spezialitätenliste steht. In diesem Fall sei eine strenge Kosten-Nutzen-Abwägung vorzunehmen, verlangt ein Bundesgerichts-Entscheid vom 23. November 2010. Der Entscheid stellt Grundsatzfragen: Wo hört das Recht auf eine medizinische Leistung auf? Ab wann übersteigen die Kosten den Anspruch auf eine Therapie?

Die meisten seltenen Krankheiten sind vererbt und beruhen auf genetischen Mutationen. Es sind meist ernste chronische Leiden, die oft lebensbedrohlich sind, beispielsweise weil Stoffwechselprozesse gestört sind (z.B. Niemann Pick C-Krankheit, Morbus Pompe) oder weil das Immunsystem mangelhaft funktioniert (z.B. Septische Granulomatose CGD). Häufig machen sich solche Krankheiten bereits nach der Geburt oder im Kindesalter bemerkbar. Betroffene warten aber oft Jahre auf eine korrekte Diagnose. Dies wiederum hat Folgen für den Krankheitsverlauf, weil geeignete Therapien zu spät beginnen. Allerdings sind die meisten seltenen Krankheiten nicht heilbar. Teilweise können Medikamente den Verlauf oder die Symptome einer Erkrankung lindern. Viele seltene Krankheiten gelten als Geburtsgebrechen: Bis zum 20. Lebensjahr übernimmt die Invalidenversicherung die Behandlungskosten, danach sind die Krankenkassen zuständig.

Behandlungskosten unter Rationierungsdruck

Medikamente gegen seltene Krankheiten können sehr teuer sein. Stehen sie nicht auf der sogenannten Spezialitäten-Liste, müssen die Versicherer die Kosten nicht zwingend übernehmen. So hat das Bundesgericht die Beschwerde einer Krankenkasse gutgeheissen und entschieden, dass die Kasse einer Morbus-Pompe-Patientin das Medikament «Myozyme» nicht bezahlen müsse. Das Medikament hätte jährlich rund 500'000 Franken gekostet. Das Gericht befand, der therapeutische Nutzen sei im konkreten Fall nicht hoch genug, um eine Kostenübernahme zu rechtfertigen. Das Bundesgericht stellte darüber hinaus die grundsätzliche Frage, wie hoch Behandlungskosten maximal sein dürfen, um noch angemessen zu sein. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass Kosten, die von der obligatorischen Grundversicherung bezahlt werden, 100'000 Franken pro «gerettetes Menschenlebensjahr» nicht übersteigen sollten.

Das Urteil zeigt, dass Menschen mit seltenen Krankheiten von Rationierungsfragen besonders betroffen sind. Interessenvertreter verlangen, dass die Betroffenen zumindest nicht schlechter behandelt werden als andere Patientengruppen.

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