Michael Weidmann inhaliert täglich drei Stunden. Regelmässige Physiotherapie und immer öfters auch intravenöse Antibiotikakuren stehen bei dem 33-jährigen auf dem Programm. Die Stoffwechselkrankheit Cystische Fibrose schränkt ein und raubt Betroffenen viel Energie: «Ich bin nicht mehr so frei wie ich sein will und ich muss sehr diszipliniert meine Therapien machen, damit ich schnaufen kann.»
Schleim statt Luft in der Lunge
Die Lungenfunktion von Michael Weidmann nimmt kontinuierlich ab. Das Problem: In seinem Körper funktioniert der zelluläre Austausch von Wasser und Salz nicht korrekt. So bildet sich zähflüssiger Schleim, der vor allem in der Lunge, den Atemwegen aber auch in anderen Organen zu Fehlfunktionen führt. Mit den Inhalationen muss er den Schleim in der Lunge künstlich nach draussen transportieren, damit er atmen kann.
Trotz guter Therapiemöglichkeiten bekämpft man bislang nur die Symptome. Der Abbau der Lungenfunktion kann nur verzögert werden. Das führt schliesslich auch zu einer tieferen Lebenserwartung von ungefähr 40 bis 50 Jahren.
Doch Michael Weidmann hat neue Hoffnung. Für einen Teil der Betroffenen steht ein neues Medikament namens Orkambi kurz vor der Zulassung. Das Kombipräparat steht für eine neue Generation Medikamente und verändert die Behandlung bei Cystischer Fibrose grundlegend, sagt die Lungenspezialistin Carmen Casaulta: «Laut den aktuellen Studien wissen wir, dass die Lungenfunktion stabilisiert werden kann, vielleicht ist sogar eine leichte Verbesserung möglich.»
Für Patienten mit Cystischer Fibrose hiesse das, dass man die Therapien reduzieren könnte und auch positive Auswirkungen auf die Lebenserwartung zu erwarten sind, so die Pneumologin vom Inselspital Bern.
Medikament ist sehr teuer
Michael Weidmann testet im Rahmen einer Studie als einer der ersten das Medikament bereits vor der offiziellen Zulassung durch Swissmedic und BAG. Schon nach vier Wochen hat sich einiges geändert: «Ich kann seit langem wieder etwas riechen, die Nase ist frei, mein verhärteter Brustkorb wurde weicher – und das Wichtigste: Ich kann wieder besser atmen», sagt Weidmann.
Das Medikament Orkambi korrigiere die Ursache auf molekularer Ebene und gebe Betroffenen eine neue Perspektive, sagt auch der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Cystische Fibrose Bruno Mülhauser.
Trotz hoffnungsvollen Zahlen und Resultaten hängt ein Schatten über diesen Entwicklungen. Laut Schätzungen soll das neue Medikament in der Schweiz 150'000 bis 190'000 Franken kosten – pro Patient und Jahr. Experten rechnen mit zusätzlichen Kosten von ungefähr 40 Millionen Franken für das Gesundheitssystem.
Besorgt schauen die Betroffenen den anstehenden Verhandlungen zwischen dem Bundesamt für Gesundheit, den Krankenkassen und dem Hersteller entgegen. Denn im Sommer steht die Zulassung für Orkambi auf der Agenda. Dann entscheidet sich, wer die teure Therapie schlussendlich vergütet bekommt. «Das BAG macht natürlich Einschränkungen, wenn es um die Finanzierung der Medikamente geht», sagt Bruno Mülhauser. Entscheidend seien die Wirksamkeit und die wirtschaftliche Aspekte.
Kostspielig, aber lukrativ
Das Bundesamt für Gesundheit nimmt zum laufenden Verfahren keine Stellung und bleibt unverbindlich: «Wir wollen, dass die Patienten, die ein Medikament dringend brauchen, es auch wirklich bekommen. Auf der anderen Seite müssen wir schauen, das die Medikamentenkosten nicht aus dem Ruder laufen, weil das von der Allgemeinheit bezahlt wird», sagt die Mediensprecherin Michaela Kozelka.
Immer häufiger entwickelt die Pharmaindustrie sehr teure Medikamente für nur wenige Patienten. Auf den ersten Blick scheint das nicht lukrativ. Doch das Geschäft mit seltenen Krankheiten ist längst ein Milliardenbusiness geworden. Die wichtigsten Gründe für diese Entwicklung sind unterschiedlicher Natur. Zum einen schaffen politische Anreize optimale Marktbedingung, bei denen Hersteller aussergewöhnlich lange von einer Marktexklusivität profitieren.
Zum anderen treiben hohe Entwicklungskosten und damit verbundene Risiken sowie der technische Fortschritt von neuen Therapiemöglichkeiten die Preise in die Höhe. Wirtschaftlich auch interessant, weil Patienten mit seltenen Krankheiten oft lebenslang die Präparate einnehmen müssen.
Schwierige ethische Fragen
Ein Beispiel dafür ist eben auch das Medikament Orkambi von der Pharmafirma Vertex. Nur den Preis anzuschauen, sei aber zu kurzsichtig sagt die Lungenspezialistin Carmen Casaulta. Es sei immer schwierig zu entscheiden, wie das Recht des Einzelnen gewichtet werde im Vergleich zur Gemeinschaft – diese Fragen gehen aber weit über das Medizinische hinaus.
Michael Weidmann bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen: «Es ist für mich sehr schmerzhaft zu erfahren, dass da über den Preis diskutiert wird, obwohl dahinter Menschenleben stecken». Noch bleibt es völlig offen, ob er schlussendlich auch nach der Studienphase vom Medikament profitieren kann.