Seit Jahren leidet Francis Jacquaz unter Tremor. «Meine Hände, mein Kopf, ja der ganze Körper zittert stark», erzählt der 75-Jährige. Die Medikamente helfen immer weniger. Dann erfährt er eines Tages von seinem Facharzt in Delémont, dass es eine Alternative gibt: einen Eingriff direkt ins Hirn, der seinen Zustand stark verbessern könnte. Das Verfahren nennt sich Tiefe Hirnstimulation.
Francis Jacquaz lässt sich unverzüglich ans Inselspital Bern überweisen, eines der führenden Zentren für die Tiefe Hirnstimulation. Bei dieser hochkomplexen Operation werden zwei Elektroden ins Gehirn des Patienten implantiert, rund zehn Zentimeter unterhalb der Schädeldecke, links und rechts in beide Hirnhälften in die Tiefen des Thalamus.
Die beiden Elektroden werden später über einen unter der Haut liegenden Draht mit einer Batterie verbunden, die in die Brust des Patienten eingesetzt wird, ähnlich wie ein Herzschrittmacher. Über diese Batterie erhalten die Elektroden im Hirn regelmässige Stromimpulse.
Ein langer Weg bis zur OP
Auf der neurologischen Abteilung des Inselspitals wird Francis Jacquaz gründlich abgeklärt: Sind die Gebiete im Hirn, in denen die Elektroden platziert werden sollen, gut zugänglich? Kann der Patient die Tragweite des Eingriffs abschätzen? Wie gut funktioniert sein Gedächtnis? Am Ende eines fünf Tage dauernden Testmarathons geben die Fachleute grünes Licht.
So verläuft die Operation
Francis Jacquaz bleibt überzeugt, dass er die Tiefe Hirnstimulation will. «Ich bin durch das Zittern stark beeinträchtigt», erzählt er am Tag vor der Operation. «Sei’s bei einem Apéro oder an einem Empfang – ich kann kein Glas halten; ich kann nicht aus einer Flasche eingiessen, ohne die Flüssigkeit zu verschütten.»
Angst habe er keine. «Ich habe Vertrauen in die Medizin, in das Team hier.» Francis Jacquaz ist überzeugt, dass er profitieren wird.
Operationen unter Narkose sind neu
Am Inselspital Bern operieren die Neurochirurgen bei der tiefen Hirnsimulation seit rund einem Jahr unter Vollnarkose des Patienten. Das war bis vor Kurzem noch anders, erklärt Claudio Pollo, Leiter der funktionellen Neurochirurgie: «Früher konnten wir den Zielpunkt im Hirn nicht so präzise anpeilen, deswegen mussten die Patienten während der Operation wach sein.» Mehr noch: Sie waren gefordert, aktiv mitzumachen. «Wenn die Elektroden im Hirn platziert waren und mit Strom getestet wurden, mussten sie uns mitteilen, wie sie die Stimulation empfinden, ob sie Nebenwirkungen spüren.» Eine äusserst anspruchsvolle Situation für den Patienten, der unbeweglich auf dem Operationstisch liegt, den Kopf fest eingespannt in einen sogenannten Stereotaxie-Rahmen.
Jetzt ist dies nicht mehr nötig. Eine Studie aus Holland attestiert der tiefen Hirnstimulation unter Narkose gleich gute Ergebnisse wie im Wachzustand. Diese Erfahrung machen auch die Spezialisten am Inselspital. «Die Technik, vor allem die Bildgebung ist so viel besser geworden, dass wir auf die Rückmeldung des Patienten nicht mehr angewiesen sind», sagt Claudio Pollo.
So erlebt Francis Jacquaz seine fünfstündige Operation tief narkotisiert. Drei Monate später sagt er am Telefon, es gehe ihm gut. «Ich zittere zwar immer noch, aber es braucht eben Geduld, bis die Elektroden richtig eingestellt sind. » Claudio Pollo vom Inselspital Bern bestätigt dies: Der Tremor sei bei Francis Jacquaz auf der einen Seite praktisch ganz verschwunden, auf der anderen Seite brauche es noch etwas Zeit.